Zwischen Sehnsucht und Verlangen
dem, was morgen auf mich zukommt, heute Nacht kein Auge zutun können.”
9. KAPITEL
R egan hatte geschlafen wie ein Murmeltier. Nach dem Aufstehen musste sie feststellen, dass die Kinder bereits zur Schule gegangen waren und dass auch Cassie das Haus schon verlassen hatte. Nun saß sie gemütlich am Küchentisch, gönnte sich die zweite Tasse Kaffee und genoss die Ruhe.
Und doch war alles auf seltsame Weise anders als sonst. Regan hatte das Alleinleben bisher nie etwas ausgemacht. Im Gegenteil, sie lebte gern allein. Seit Kurzem aber hatte sie entdeckt, dass es mindestens ebenso schön war, Gesellschaft zu haben.
Sie mochte es, wenn morgens beim Frühstück die Kinder um sie herum waren, wenn die kleine Emma ihr einen ihrer feierlichen Küsse auf die Wange drückte oder Connor ihr ein zurückhaltendes Lächeln schenkte.
Und es gefiel ihr, Cassie mit vom Schlaf noch zerzaustem Haar in die Küche eilen zu sehen, um das Kaffeewasser aufzusetzen und den Kindern Cornflakes mit Milch in ihre Teller zu füllen. Es war eine ganz andere Art von Leben als das, das sie führte.
Mutterschaft war zwar niemals etwas gewesen, wonach sie sich gesehnt hatte, nun aber begann sie sich zu fragen, ob es nicht etwas war, das auch ihr Befriedigung verschaffen könnte.
Sie nahm eine Zeichnung zur Hand, die Emma auf dem Tisch hatte liegen lassen, und schnüffelte daran. Sie roch nach frischen Wasserfarben.
Es amüsierte sie zu sehen, wie die Kinder innerhalb kürzester Zeit dem Haus ihren Stempel aufgedrückt hatten.
Noch ganz in Gedanken, faltete sie Emmas Bild zusammen, steckte es in ihre Tasche und stand auf. Es wurde höchste Zeit, den Laden aufzuschließen.
Kurz nachdem sie das Geöffnet-Schild herumgedreht und die Ladentür aufgeschlossen hatte, betrat auch schon Joe Dolin das Geschäft.
Offensichtlich hatte er bereits draußen gewartet.
Sofort begannen in ihrem Kopf die Alarmglocken zu läuten, aber sie versuchte sich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass Cassie ja Gott sei Dank nicht im Haus war.
Man sah es Joe noch immer an, dass er früher einmal ein hübscher Junge gewesen sein musste, mittlerweile jedoch hatte der übermäßige Alkoholgenuss unübersehbare Spuren hinterlassen.
An einem Vorderzahn fehlte eine Ecke, und sie überlegte, ob er es vielleicht nur der Höflichkeit des jungen Rafe zu verdanken hatte, dass er seinen Zahn nicht ganz verloren hatte.
Voller Unbehagen fiel ihr plötzlich ein, dass er schon ein- oder zweimal den Versuch unternommen hatte, sich ihr zu nähern, und auch die gierigen Blicke und das wissende Lächeln, das er ihr des Öfteren zugeworfen hatte, standen ihr schlagartig wieder vor Augen. Cassie gegenüber hatte sie niemals etwas davon erwähnt. Und würde es auch nicht tun.
Während sie sich im Geiste für die unvermeidlich scheinende Auseinandersetzung wappnete, schloss er die Tür, nahm seine Baseballkappe ab und drehte sie bescheiden in den Händen wie ein reuiger Sünder.
„Regan. Es tut mir wirklich leid, dass ich dich belästigen muss.”
Er klang so zerknirscht, dass sie fast Mitleid mit ihm bekam, dann aber erinnerte sie sich glücklicherweise wieder an die Würgemale an Cassies Hals. „Was willst du, Joe?”
„Ich hab gehört, dass Cassie bei dir wohnt.”
Er redet nur von Cassie, registrierte sie. Kein Wort von den Kindern.
„Das ist richtig.”
„Schätze, du weißt von dem ganzen Ärger.”
„Ja. Du hast Cassie verprügelt und bist daraufhin festgenommen worden und ins Kittchen gewandert.”
„Ich war sternhagelvoll.”
„Für das Gericht mag das als Entschuldigung genügen. Für mich nicht.”
Er verengte seine Augen, noch immer jedoch hielt er den Kopf gesenkt.
„Ich kann nur sagen, dass mir das, was ich gemacht habe, schrecklich leidtut”, beteuerte er. „Aber ich bin eigentlich hier, weil ich dich um einen Gefallen bitten wollte. Du weißt ja sicher, dass ich mich in Cassies Nähe nicht mehr blicken lassen darf.” Nun hob er den Kopf, und sie sah überrascht, dass seine Augen feucht waren. „Cassie hält große Stücke auf dich.”
„Ich halte große Stücke auf sie”, erwiderte Regan bestimmt. Von den Tränen eines Mannes würde sie sich ganz bestimmt nicht beeindrucken lassen.
„Ja, gut. Ich hatte gehofft, du könntest vielleicht bei ihr ein gutes Wort für mich einlegen und sie fragen, ob sie es nicht noch mal mit mir versuchen will. Ich werde mich ändern, wirklich, ich schwöre es. Wenn ich könnte, würde ich es ihr gern selbst sagen,
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