Zwischen Sehnsucht und Verlangen
ihrer Mutter, wich Cassie nicht vom Rockzipfel, wobei sie Rafe jedoch während des Essens unablässig beäugte wie ein junger Falke seine Beute.
Nach dem Abendessen brachte Cassie die Kinder zu Bett, und Rafe half Regan beim Abwasch. „Dolin ist nicht nur ein Dreckskerl, er ist zusätzlich auch noch ein Riesenidiot.” Rafe setzte einen Stapel Teller auf dem Küchentresen ab. „Cassie ist so eine liebe Frau, und die Kinder sind einfach großartig. Jeder Mann auf der Welt könnte sich glücklich schätzen, so eine Familie zu haben.”
Ein eigenes Heim, ging es Rafe durch den Kopf. Eine Frau, die dich liebt, Kinder, die dir freudig entgegengerannt kommen, wenn du abends von der Arbeit nach Hause kommst. Abendessen an einem großen runden Tisch, um den die ganze Familie sitzt. Seltsam, dass es ihm nie in den Sinn gekommen war, sich nach etwas Derartigem zu sehnen.
„Du hast ja ziemlich Eindruck geschunden”, begann Regan anerkennend, während sie Wasser ins Spülbecken laufen ließ. „Ich kann mich nicht erinnern, sie irgendwann einmal so aufgeweckt und fröhlich gesehen zu haben. Und zwar alle – sowohl die Kinder als auch Cassie.” Sie wandte den Kopf, um ihn anzusehen, aber ihr Lächeln verblasste, als sie seinen Blick auffing. Sie hatte sich schon an die Art, wie er sie manchmal anzustarren pflegte, gewöhnt – fast jedenfalls –, heute jedoch war es noch anders als sonst. „Was ist?”
„Hm?” Er zuckte augenblicklich zusammen, und es dauerte einen Augenblick, bis er sich wieder fing. Er war ganz weit weg gewesen. „Nichts.
Gar nichts.” Heiliger Himmel, er hatte sich doch wirklich gerade vorzustellen versucht, wie es wohl wäre, verheiratet zu sein und Kinder zu haben. „Der Junge – Connor. Er ist ungeheuer aufgeweckt, findest du nicht auch?”
„Er bringt nur die besten Noten mit nach Hause”, erwiderte Regan so stolz, als sei Connor ihr eigener Sohn. „Er ist intelligent, sensibel und weich die ideale Zielscheibe für Joe. Der Dreckskerl hat den armen Jungen ständig gequält.”
„Hat er ihn auch geschlagen?” Sein Ton war ruhig, innerlich aber kochte er.
„Nein, ich glaube nicht, Cassie hat aufgepasst wie ein Schießhund.
Gegen die psychischen Quälereien konnte sie aber kaum etwas machen, und blaue Flecken hinterlassen sie allenfalls auf der Seele.” Sie zuckte die Schultern. „Na ja, Gott sei Dank ist das alles ja jetzt vorbei.” Sie gab ihm einen Teller. „Hat dein Vater auch abgetrocknet?”
„Nur an Thanksgiving. Buck MacKade war stolz darauf, ein sehr männlicher Mann zu sein.”
„Buck?” Beeindruckt spitzte Regan die Lippen. „Klingt gewaltig.”
„So war er auch. Wenn man etwas angestellt hatte, konnte er einen ansehen, dass man am liebsten im Boden versunken wäre. Devin hat seine Augen geerbt. Und ich seine Hände.” Gedankenverloren starrte Rafe auf seine Handflächen. „War eine ziemliche Überraschung, als ich eines Tages auf meine Hände schaute und seine sah.”
Sie musste lächeln, als sie ihn so dastehen sah, ein Geschirrtuch über die Schulter geworfen und versonnen auf seine Hände starrend. „Hast du ihm gefühlsmäßig sehr nahegestanden?”
„Nicht nah genug. Und vor allem zu kurz.”
„Wie alt warst du, als er starb?”
„Fünfzehn. Ein Traktor hat ihn überrollt. Er lag eine ganze Woche im Sterben.”
Sie tauchte ihre Hände wieder in das Spülwasser, während sie versuchte, sich die vier Jungen vorzustellen, denen ein grausames Schicksal den Vater viel zu früh genommen hatte. Es machte sie traurig.
„Ist das der Grund, weshalb du die Farm hasst?”
„Ja, vermutlich.” Seltsamerweise hatte er bisher niemals darüber nachgedacht, aber es erschien ihm plausibel. „Er hat sie geliebt. Jeden Zentimeter Boden, jeden Stein. Wie Shane.”
Sie gab ihm wieder einen Teller zum Abtrocknen. „Mein Vater hat niemals in seinem Leben ein Geschirrtuch in die Hand genommen, und ich bin sicher, meine Mutter würde in Ohnmacht fallen, wenn er es plötzlich täte. Sie hängen beide der festen Überzeugung an, die Küche sei das Reich der Frau.”
„Stört dich das?”
„Früher schon”, gab sie zu. „Er hat an ihr herumerzogen, bis sie die Frau war, die er haben wollte, und sie ließ es zu. Sollte sie jemals anders gewesen sein, etwas anderes gewollt haben, so hat sie es sich jedenfalls niemals anmerken lassen. Sie ist die Ehefrau des Chirurgen Dr.
Bishop, und das ist alles.”
Langsam begann ihm zu dämmern, warum sie so war, wie sie
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