Zwischen Tod und Ewigkeit
erleben.
Er zweifelte keine Sekunde daran, daß Mark die Spuren fand und kam, um ihn zu befreien. Wichtig war nur, daß er nicht zu spät kam. Er ärgerte sich, keine Nachricht hinterlassen zu haben, aber er konnte noch froh darüber sein, daß die Wilden nicht auf die Idee gekommen waren, die ungesicherte Anlage zu betreten. Wahrscheinlich jedoch steckte ihnen noch der Schreck vom letzten Besuch in den Knochen.
Als sie ihren Weg fortsetzten, mußte er zwischen ihnen gehen. Noch war keiner der Wilden auf den Gedanken verfallen, ihn zu durchsuchen. Die Taschenlampe behinderte ihn, aber er wollte sie auch nicht verlieren.
Vorsichtig sah er sich um, als sie hundert Meter gegangen waren. Der Zettel, den er auf dem Lagerplatz zurückgelassen hatte, steckte aufgespießt in einem Strauch. Mark würde ihn finden, wenn er den Spuren folgte.
Die Hügel kamen näher. Als er sie das erstemal gesehen hatte, war es Nacht gewesen. Nur der Mond hatte die Landschaft mit seinem silbernen Glanz erfüllt, so daß er keine Einzelheiten erkennen konnte. Diesmal war das anders.
Die Höhlen waren deutlich sichtbar und lagen meist in Bodennähe. Nur einige wenige konnten erst mit Hilfe primitiver Leitern erreicht werden. Gerald entdeckte die Späher auf den vorderen Gipfeln. Sie waren mit Pfeil und Bogen bewaffnet und meldeten die Ankunft des erfolgreichen Jagdtrupps. Männer, Frauen und Kinder liefen ihm entgegen und stimmten ein Jubelgeschrei an, als sie den Gefangenen sahen.
Abermals verfluchte Gerald seine Unvorsichtigkeit. Da hatte er endlich die ersten Funksignale entdeckt, und nun bestand die wenig verlockende Aussicht, in den Bäuchen der Kannibalen zu enden.
Seine einzige Hoffnung schöpfte er aus jener Beobachtung, die schon Mark in der Ruinenstadt gemacht hatte: die Gesichter der Kannibalen waren fast edel geschnitten und zeugten von keiner Grausamkeit. Im Gegenteil, sie wirkten fast intelligent, wenn ihr Benehmen auch in keiner Weise zivilisiert genannt werden konnte.
Beunruhigend war nur die Tatsache, daß es auch andere Typen gab, grobschlächtige Kerle mit brutalen Gesichtszügen und Fäusten wie Hämmern. Sie waren meist mit einfachen Holzkeulen bewaffnet und schienen so etwas wie die Kampftruppe der Wilden zu sein.
Die Frage blieb, wessen Wort mehr Gewicht besaß.
Gerald wurde in den Eingang einer Höhle gestoßen und stolperte. Bevor er stürzen konnte, fing ihn jemand auf und hielt ihn mit sanfter Gewalt fest. Es war dämmerig in dem Raum, und es roch muffig. Es wurde noch dunkler, als ein großer Stein vor die Öffnung gerollt wurde.
»Immer mit der Ruhe – und nun setzen Sie sich erst einmal, mein Freund. Wo hat man Sie denn erwischt?«
Gerald holte tief Luft, setzte sich gehorsam und versuchte, das Halbdunkel mit den Augen zu durchdringen. Allmählich gewöhnte er sich an das Dämmerlicht, und als erstes sah er einen kräftig gebauten Mann vor sich stehen, der einen schwarzen Vollbart hatte und fast gutmütig auf ihn herabblickte. Er trug lange, strapazierfähige Hosen und ein zerrissenes Hemd.
»Wer sind Sie?« fragte Gerald fassungslos.
Der Mann setzte sich.
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte er und kramte in seinen Hosentaschen. Er zog Papier und einige Krümel Tabak daraus hervor und begann damit, sich eine Zigarette zu rollen. »Ich hoffe, Sie haben wenigstens Feuer dabei ...«
Gerald nickte, ohne etwas zu verstehen. Er begriff nun, daß ihm keiner der Kannibalen gegenübersaß. Er gab dem Mann das Gasfeuerzeug, das er in seinem Fach mit dem Revolver gefunden hatte.
Er gab es ihm wortlos.
Der aromatische Duft verdrängte die anderen Gerüche.
»Tabak habe ich noch, auch Papier, aber kein Feuer. Ich habe es mit Steinen versucht, auch mit Holz. Ohne Erfolg. Ein Glück, daß Sie gekommen sind – oh, verzeihen Sie. Für Sie ist das ja weniger erfreulich. Sind Sie hier aus der Gegend?«
Gerald sah auf das glühende Ende der Zigarette des anderen.
»Ja, ich bin aus der Gegend. Sie nicht?«
Der Mann lachte trocken.
»Wie man es nimmt, mein Freund. Nennen Sie mich ruhig Björn, das ist einfacher. Und wer sind Sie?«
»Gerald, Dr. Gerald, Physiker. Ich habe gedacht, es gäbe keine Überlebenden mehr.«
Wieder lachte der andere.
»Oh, da irren Sie sich gewaltig. Allerdings kann man wochenlang marschieren, ohne eine Menschenseele anzutreffen, die Welt scheint leer und ohne Menschen zu sein, aber sie ist es nicht. Hier in Amerika ist das mehr der Fall als zum Beispiel in Europa. Aber dort
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