Zwischen Tod und Ewigkeit
lebten ja die Menschen schon immer gedrängter zusammen als hier.«
»Europa? Das gibt es noch?«
»Sicherlich, aber er hat sich verändert, Dr. Gerald. Ich schätze die Gesamtbevölkerung auf vielleicht fünfzigtausend, aber was ist das schon? Einzelne Siedlungen, weit verstreut, keine nennenswerte Zivilisationen, Landwirtschaft und spärliche Jagd – na, wie es eben heute so ist.«
Gerald wartete, bis Björn seine Zigarette löschte und den Tabakrest sorgfältig in der Tasche verstaute.
»Wie kommen Sie von Europa hierher? Wir sind in Amerika, an der Pazifikküste!«
Björn nickte gelassen.
»Wenn Sie wollen, betrachten Sie mich als den Entdecker Amerikas. Meines Wissens bin ich der erste nach dem Weltuntergang, der den Atlantik und dann diesen Kontinent überquerte. Ich bin vor etwa fünf Jahren von Norwegen aus aufgebrochen.«
Gerald starrte ihn verwundert an.
Dann hauchte er:
»Kolumbus!«
»Wenn Sie so wollen – ja. Nur habe ich gewußt, daß ich im Westen Amerika finden würde.« Er sah zum Höhleneingang. »Sie werden uns erst in drei Stunden eine halbgare Ameise zum Fraß vorwerfen, wir haben also Zeit, unsere Geschichten auszutauschen.«
»Sind Sie schon lange hier?«
»Einige Wochen. Ich nehme an, man will mich mästen, damit für den Notfall Frischfleisch vorhanden ist. Sie sind Kannibalen.«
»Ich weiß das.« Gerald lehnte sich mit dem Rücken gegen die Felswand. »Wie haben Sie die Katastrophe überlebt? Waren Sie eingefroren?«
Björn lachte.
»O nein, das nicht! Die wenigsten von ihnen sind je erwacht, wenigstens nicht in Europa. Meine Vorfahren überlebten die Katastrophe im hohen Norden, wo die Luft etwas mehr Sauerstoff enthielt und auch Versuche zur Luftreinigung unternommen worden waren. Es gibt nur wenige Berichte über jene verrückte Zeit, aber sie besagen, daß es einst eine technisch hochstehende Zivilisation auf dieser Erde gab. Es blieb kaum etwas von ihr übrig.« Er sah Gerald plötzlich sehr aufmerksam an. »Sind Sie vielleicht einer jener Menschen, die vor dem Weltuntergang eingefroren wurden?«
Gerald seufzte.
»Ich glaube, es wird besser sein, wenn wir mit unseren Geschichten beginnen, das erspart uns beiden unnötige Fragen.«
Mark lag in einem dichten Gebüsch knapp fünfhundert Meter vor den ersten Hügeln. Längst hatte er die Späher entdeckt, aber es war ihm gelungen, sich so nahe an das Höhlendorf heranzuschleichen. Nun mußte er warten, bis es dunkel wurde.
Wenn er den Kopf ein wenig hob, konnte er die Aktivität im Dorf feststellen. Alles wirkte durchaus normal. Keine Hast war zu bemerken, keine besondere Tätigkeit, die vielleicht darauf schließen ließ, daß man Gerald im Verlauf eines großen Festes zu verzehren gedachte.
Oder war das schon geschehen?
Die Ungewißheit und die Tatsache, daß er jetzt kaum etwas unternehmen konnte, zehrte an seiner Nervenkraft. Aber es wäre sinnlos gewesen, jetzt das Dorf der Wilden zu stürmen. Wenn Gerald noch lebte, würde er ihn dadurch nur in noch größere Gefahr bringen.
Mit dem Feldstecher, den er vorsorglich mitgenommen hatte, suchte er die einzelnen Höhleneingänge ab, bis er den Stein vor einem Eingang entdeckte, bei dem ein riesiger Kerl mit einer Keule stand.
Mark merkte sich den Weg und beschloß, in der kommenden Nacht den Befreiungsversuch zu unternehmen. Wenn er erst einmal den Wächter unschädlich gemacht hatte, mußte der Rest ein Kinderspiel sein.
Er aß eine Kleinigkeit und döste in der Nachmittagshitze vor sich hin. Das Gewehr hielt er in den Armen. Es verlieh ihm Sicherheit. Das Magazin war gefüllt, und weitere fünfzig Patronen in der Hosentasche wirkten beruhigend.
Als es dunkelte, sah er auf dem freien Platz vor den Höhlen ein Feuer. Das hatte nichts zu bedeuten, redete er sich ein, machte sich aber dennoch auf den Weg. Den Rucksack ließ er in seinem Versteck zurück, er nahm nur seine Waffen mit.
Das Feuer wies ihm den Weg. Die bewachte Höhle lag zwanzig Meter rechts davon, aber er mußte einige Hügel mit Wachtposten passieren. Er war sich nicht sicher, ob die Posten noch da waren, aber er rechnete damit und verhielt sich entsprechend.
Zehn Meter vor dem Stein blieb er liegen. Der Feuerschein von links erreichte ihn kaum, weil die Gestalten, die dort saßen, ihn abhielten. Der Riesenkerl, der als Wache vor dem Höhe postiert war, hockte auf dem Boden und ärgerte sich wahrscheinlich, daß er nicht bei den anderen sein konnte. Mark konnte ihn nicht gut sehen, da seine
Weitere Kostenlose Bücher