Zwischen uns das Meer (German Edition)
um die Funktionen Ihrer Leber und Ihrer Nieren machen. Außerdem haben Sie wegen Ihrer rechten Hand heute einen Termin beim Chirurgen, weil ein Schrapnell einen Nerv in Ihrem Handgelenk beschädigt hat. Dennoch können wir hoffen, dass Sie sie teilweise wieder benutzen können.«
Teilweise.
»Die Verletzungen in Ihrem Gesicht werden mit der Zeit heilen, aber auch die müssen wir genau beobachten, weil es Explosionswunden sind.«
Sie kämpfte gegen den Drang, ihre Wangen zu berühren. Mein Gesicht.
Sie schloss die Augen, damit er nicht sah, wie viel Angst sie hatte, doch das war ein Fehler. In der Dunkelheit ihrer Angst sah sie ihre Kinder zusammenstehen, um sie weinen und betteln, sie möge nach Hause kommen. »Bitte«, flüsterte sie und hörte grimmig, wie ihre Stimme zitterte. Himmelherrgott, sie war Soldatin und konnte diesem Mann noch nicht mal in die Augen blicken. »Ich darf nicht sterben. Ich habe Kinder, Captain. Bitte.«
Er berührte ihre linke Hand. Sie spürte das kühle Gummi auf ihrer Haut – kein menschlicher Kontakt; aber was hätte das auch bewirkt? Wozu die Berührung eines Fremden, wenn ihr Leben am seidenen Faden hing?
Sie brauchte jetzt Michael. Er würde sich um sie kümmern.
Michael, dessen Liebe sie schon einmal gerettet hatte. Irgendwo im Hinterkopf lauerte der Gedanke, dass es ein Problem mit Michael gab, dass irgendwas nicht in Ordnung war, aber dann setzte die Wirkung des Morphins tröstlich ein, und sie war wieder mit ihrem Mann zusammen und ging Hand in Hand mit ihm am Strand entlang …
An dem Tag, als CNN in den Mittagsnachrichten von Jolenes Abschuss berichtete, gingen Michael und Carl an Bord eines Flugzeugs nach Deutschland.
Sie landeten mitten in der Nacht in Frankfurt, wo kalter Regen auf die endlosen Betonbauten und Landebahnen des Flughafens nieselte.
Als sie schließlich mit ihren Koffern durch den Zoll waren, blickte Michael sich um. »Es hieß, sie würden jemanden schicken, der uns abholt«, meinte er zu Carl.
Kurz darauf kam ein junger Mann in Uniform auf sie zu. »Mr Zarkades? Mr Flynn?«
»Das sind wir«, sagte Carl. »Ich bin Carl Flynn.«
Der junge Soldat reichte Michael einen kleinen, durchsichtigen Plastikbeutel. Darin befanden sich Jolenes Ehering, ihre Hundemarke und ihre alte Uhr, deren Zifferblatt gesprungen war. Er starrte darauf. In den zwölf Jahren ihrer Ehe hatte er Jolene nie ohne ihren Ehering gesehen. Das ist die Wirklichkeit , dachte er. Er würde seine Frau im Krankenhaus besuchen, weil sie im Krieg verwundet worden war. »Danke«, krächzte er.
Der Soldat führte sie durch den Flughafen zu einem wartenden Wagen. Nach anderthalbstündiger Fahrt landeten sie im Regional Medical Center von Landstuhl.
Der Regen wurde jetzt von scharfen Böen gegen den Eingang geweht. Im Neonlicht des Empfangsbereichs gerieten Michael und Carl sofort in die Mühlen des Militärprotokolls: Ärzte, Krankenschwestern, Geistliche und Verbindungsoffiziere wollten mit ihnen sprechen. Alle nahmen Haltung an und grüßten sie ohne ein Lächeln. Alle trugen rote Gummihandschuhe. Mehrfach verlangte Michael, zu seiner Frau gebracht zu werden, aber es gab immer noch einen Grund zur Verzögerung.
Erst lief er unruhig hin und her, dann wurde er wütend. »Verdammtes Militär«, murmelte er und ging den Gang auf und ab. Als ein Neurochirurg Carl abholte, platzte Michael der Kragen.
Er marschierte noch einmal zum Schwesternzimmer. »Ich bin Michael Zarkades und um die halbe Welt geflogen, um meine Frau Jolene Zarkades zu sehen. Sie ist Warrant Officer, wenn das irgendwie von Bedeutung ist. Ich habe es satt zu warten. Sagen Sie mir doch einfach, wo ihr verdammtes Zimmer ist.«
Die Krankenschwester blickte von ihren Unterlagen auf. »Captain Sands hat darum gebeten, dass Sie auf ihn warten. Er möchte persönlich mit Ihnen sprechen. Es tut mir leid, Sir …«
In dem Moment brach hinter ihnen das Chaos aus. Michael drehte sich um und sah gerade noch rechtzeitig, wie eine Reihe von Soldaten auf Tragen durch den Haupteingang geschoben wurde. Sofort waren Ärzte und Schwestern zur Stelle; dann kam ein Geistlicher, nahm die Hand eines Soldaten und bekreuzigte sich.
Michael beugte sich über den Schalter, entdeckte Jolenes Zimmernummer auf den Unterlagen und eilte zum Aufzug.
» MAYDAY !«, schrie Jolene und wachte aus einem Alptraum auf. Sie fuhr hoch, doch da explodierten Schmerzen in ihrer rechten Seite. Keuchend ließ sie sich in die Kissen zurückfallen.
Wie üblich fiel
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