Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwischen uns das Meer (German Edition)

Zwischen uns das Meer (German Edition)

Titel: Zwischen uns das Meer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
Vom Netzwerk:
ihr als Erstes nach dem Aufwachen ihr schrecklich stinkender Stumpf ins Auge. Das Geräusch des Absaugers war so laut, dass es alles andere übertönte, selbst das Klopfen ihres Herzens. Und die Schmerzen waren entsetzlich, unerträglich.
    Doch was sie wirklich quälte, war der Gedanke an Tami: Tami und Smitty und Jamie.
    Ihr ganzes Leben lang war sie Optimistin gewesen; sie hatte sich dazu gezwungen. Doch jetzt war alle Hoffnung dahin. Was war, wenn Tami nicht überlebte? Und was zum Teufel sollte sie Smittys Mutter sagen? Er hat mir über ein Dutzend Mal Ihr Foto gezeigt … das, auf dem Sie Tennis spielen …
    Es war ihr Fehler gewesen. Alles. Wie sollte sie mit dieser Schuld leben? Wollte sie das überhaupt noch?
    Sie griff nach dem Morphiumdosierknopf, weil sie all das Grauen verschlafen wollte.
    Dann sah sie ihn durch einen Schlitz in den Vorhängen, die ihr Bett umgaben.
    Michael.
    Michael stritt mit der Krankenschwester. Vergeblich.
    »Sie sollen auf Doktor Sands warten. Außerdem werden Sie auf keinen Fall ohne Handschuhe und Mundschutz hineingehen«, sagte sie entschieden.
    »Na schön.« Er schnappte sich Mundschutz und Handschuhe und ging weg. Dann zog er sie an, zögerte kurz vor der Zimmertür seiner Frau, holte tief Luft und trat ein.
    Kurzzeitig fuhr ihm durch den Sinn, dass es vielleicht doch besser gewesen wäre, nicht so hier hereinzuplatzen, sondern lieber zu warten, bis er etwas von Jolenes Prognose erfahren hatte.
    Ihr Bett war halb von einem Vorhang umgeben; von dort, wo er stand, konnte er sie nicht sehen. »Jolene?«
    Er schloss die Tür hinter sich. Als Erstes fiel ihm der Gestank auf. Es roch derart durchdringend nach Fäulnis, dass ihm fast übel wurde. Galle stieg in ihm auf, und er musste würgen.
    Er leckte sich nervös über die Lippen, setzte sich in Bewegung und zog den Vorhang auf.
    Er erkannte seine Frau kaum. Die rechte Seite ihres Gesichts hatte blutige, nässende Wunden, und die linke Seite war blau und geschwollen. Ein tiefer Schnitt an ihrem Kiefer war genäht worden. Ihre Lippen waren trocken und aufgesprungen. Ihre Haare hingen nur an einer Seite ihres Gesichts herab, so leblos, als gehörten sie nicht zu ihr.
    Aber der eigentliche Schock war ihr Bein. Man konnte es kaum noch als Bein identifizieren. Schwarz, verbogen, gebrochen mit sich abschälender Haut und auf doppelte Dicke angeschwollen; riesige Metallschrauben hielten Knie und Fußknöchel fixiert. Ein fahler Knochen ragte aus bläulich schwarzem Fleisch hervor. Und der Gestank …
    Einen schrecklichen, beschämenden Moment lang dachte er, er würde sich übergeben.
    Er atmete flach durch den Mund, doch der Gestank blieb trotz Mundschutz. Er wusste, dass er jetzt nicht schwach sein durfte, um ihretwillen, aber er fühlte sich, als würde er ertrinken. Er bekam nicht genug Luft, ihm wurde schwindelig.
    »Jo«, sagte er leise, mit gebrochener Stimme und außer Atem. »Es tut mir so leid.« Und dann hatte er endlich – endlich – die Kraft, sie anzusehen. Er wusste, dass Mitleid und Entsetzen in seinem Blick lagen; er konnte es nicht ändern. Er hätte nicht so unvorbereitet hier hereinplatzen dürfen. Sie brauchte jetzt seine Stärke und Zuversicht, und er konnte sie nicht aufbringen. »Ich hab noch nicht mit dem Arzt gesprochen … ich wusste es nicht. Ich hätte warten sollen …« Er wollte ihre Hand nehmen, dann sah er den Bluterguss und zuckte zurück. »Ich will dir nicht weh tun.«
    »Zu spät, schon geschehen«, flüsterte sie, und Tränen glitzerten in ihren Augen.
    »Jolene …«
    Sie wandte ihr blutiges, geschwollenes Gesicht von ihm ab. »Tami hatte unrecht«, sagte sie leise und mehr zu sich selbst.
    »Was? Was hat Tami gesagt?«
    »Es ist zu spät, um es noch mal zu versuchen, Michael. Du hattest recht.« Als ihre Stimme brach, fühlte er sich noch schlechter. Sie streckte die Hand aus, drückte auf den Morphiumknopf und war kurz darauf eingeschlafen.

S IEBZEHN
    Er hatte sie im Stich gelassen, schon wieder. Als er ihr Bein sah, war er in Panik geraten. Warum hatte ihn niemand vorgewarnt? Hätte er es vorher gewusst, dann hätte er sich vielleicht nichts anmerken lassen können.
    Vielleicht. Aber ehrlich gesagt, bezweifelte er das. Ihre Verletzungen waren einfach zu viel für ihn gewesen. Wie sollte er ihr da helfen?
    »Mr Zarkades?«
    Er drehte sich um und sah, dass ein großer, grauhaariger Mann in weißem Kittel das Zimmer betrat. Seine grauen Augen über dem Mundschutz blickten

Weitere Kostenlose Bücher