Zwischen uns die halbe Welt: Sommerflirt 2 (German Edition)
als sie näher kommt, atmet sie erleichtert auf.
»Holla, Sie haben aber ruppiges Personal«, sagt mein Dad und zwinkert Marla zu. »Okay, Amy, ich nehme eine große Tasse vom Kaffee des Hauses, schwarz mit einem Schuss Espresso.«
»Das gibt eine schlaflose Nacht«, sage ich zu ihm.
»Gut. Ich habe heute nämlich noch jede Menge Arbeit zu erledigen.«
Und das, obwohl mein Vater kein Anwalt ist. Er erzählt kaum etwas von seiner Arbeit. Eigentlich ist es cool, dass er einen Top-secret-Job hat, also nörgle ich nicht rum, wenn er mal bis spät in die Nacht arbeitet.
Marla beobachtet mich, wie ich die Mischung in eine Tasse gieße. Als ich fertig bin, lächelt sie. Dann reiche ich das Gebräu meinem Dad. Er wartet nicht mal, bis es etwas abkühlt, sondern nimmt sofort einen Schluck. »Das ist der beste Kaffee, den ich je getrunken habe!«, sagt er zu Marla, wobei seine Reaktion dermaßen übertrieben ist, dass es ihm keiner abnimmt.
Ich verdrehe die Augen. » Aba , komm, setz dich endlich.«
»Setz dich ruhig zu ihm«, schlägt Marla vor. »Deine Schicht ist sowieso vorbei.«
»Ich bin doch erst seit einer Stunde hier. Wie kann sie schon zu Ende sein?«
»Das ist der Deal«, schaltet sich mein Dad ein. »Eine Stunde pro Tag unter der Woche und sonntags drei Stunden. Ich wollte nicht, dass deine Schulaufgaben darunter leiden.«
Acht Stunden die Woche sind nicht so wild, schon gar nicht, wenn ich Samstagabend freihabe.
Ich halte Marla meine gelbe Schürze hin, aber sie sagt, ich soll sie morgen wieder zur Arbeit mitbringen. Dann hole ich meine Tasche aus dem verschließbaren Schränkchen und geselle mich zu meinem Dad an den Tisch.
Er nimmt Post aus seiner Aktentasche und blättert sie durch. Ich verrenke mir fast den Hals, um zu sehen, ob ein Brief von Avi dabei ist. Es ist über zwei Wochen her, dass er geschrieben hat. Das sieht ihm gar nicht ähnlich.
»Und?«, frage ich.
Dads spitzbübisches Lächeln spricht Bände.
Ich halte ihm die Hand hin. »Gib.«
Er zieht einen Brief aus dem Stapel und ich reiße ihm den Umschlag aus der Hand. Mein Herz setzt einen Schlag lang aus, und in meinem Bauch flattert auf einmal ein Schwarm klitzekleiner Schmetterlinge umher, während ich mit den Fingern über den Absender streiche.
Seit Avi und ich diese Fernbeziehung führen, muss ich ständig mit meiner Unsicherheit kämpfen. Wenn ich abends im Bett liege und ihn vermisse, frage ich mich, ob er mich schon vergessen hat. Hat er eine andere kennengelernt, die niedlicher oder hübscher ist oder einfach … nicht so viele Komplexe hat wie ich?
Ich fühle mich ein bisschen besser, als ich den Brief aufreiße, doch dann merke ich, dass mein Dad mich beobachtet … auf meine Reaktion wartet.
»Lies ihn doch vor«, schlägt er vor.
»Ja, genau«, sage ich sarkastisch und lasse den Brief in meiner Tasche verschwinden. Ich lese ihn später. Im Bett … allein.
»Warte!«, ruft Marla, als wir gerade gehen wollen. Sie hält einen Rucksack in der Hand. »Kennst du den Jungen, der auf einem der Stühle da drüben gesessen hat? Er hat seine Tasche vergessen.«
»Das ist Nathan«, sage ich. »Bestimmt merkt er es bald und kommt zurück, um sie zu holen.«
»Sei nicht albern, Amy«, meint mein Dad. »Du kannst ihm den Rucksack doch auf dem Heimweg vorbeibringen.«
8
Debora war eine große Prophetin Israels und regierte das Land sogar eine Weile (Richter 4,4).
Sie befahl einem Mann namens Barak (möglicherweise eine Verbindung zu mir?), mit zehntausend Mann in den Kampf zu ziehen. Barak stimmte zu, aber nur unter der Bedingung, dass sie mitkäme.
Irgendwie läuft es in meinem Leben ähnlich, oder? Beweist mal wieder, dass Männer nicht ohne Frauen auskommen.
Ich will protestieren, doch ehe ich michs versehe, habe ich den Rucksack schon in der Hand. »Dad, er kommt ihn bestimmt holen, sobald er checkt –«
»Amy, sei nicht so ein Snob.«
Mir fällt vor Schreck die Kinnlade runter. Mein eigen Fleisch und Blut hat mich gerade als Snob bezeichnet. Ich stürme aus dem Café und in die Eingangshalle unseres Apartmenthauses und nicke dem Portier zu, der mich zu den Aufzügen durchwinkt.
»Amy, komm zurück«, sagt mein Dad.
Ich stütze die Hände in die Hüften. »Ich glaub es nicht, dass ausgerechnet du mich als Snob titulierst.«
Mein Dad lenkt nie ein. Wahrscheinlich machen ehemalige Kommandosoldaten immer einen auf total taff – wie in der Armee, so auch im Privatleben. Berufsrisiko. »Nur weil er anders aussieht als
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