Zwischen uns die halbe Welt: Sommerflirt 2 (German Edition)
Herzen?«
Jede Menge. Aber ich werde mich darauf beschränken, was mir gerade am meisten zu schaffen macht. »Ich habe Mist gebaut.«
»Bist du in Konflikt mit dem Gesetz geraten?«, fragt er.
»Nein, mit meinem Dad. Ich habe unerlaubt seine Kreditkarte genommen, und jetzt will er, dass ich ihm das Geld zurückzahle, das ich ausgegeben habe.« Ich sehe den Rabbiner an, um sicherzugehen, dass er nicht vor Schreck aus den Latschen kippt.
»Um wie viel handelt es sich, wenn ich fragen darf?«
Ich hebe die Hände. »Ich weiß, das klingt jetzt vielleicht komisch, aber ich habe es für einen guten Zweck genommen. Ich habe ihn beim PJSN angemeldet … Sie wissen schon, dem Professionellen Jüdischen Single-Netwerk. Das ist eine Online-Singlebörse. Ich habe es nur gut mit ihm gemeint.«
Die Augenbrauen des Rabbiners schnellen nach oben. »Du hast deinen Vater ohne seine Einwilligung bei einer Partnervermittlung angemeldet?«
Ich nicke. »Er braucht eine Frau.«
Rabbi Glassman seufzt, dann sagt er mit ruhiger Stimme: »Amy, manchmal muss man den anderen selbst überlassen, wie sie ihr Leben gestalten wollen.«
»Ja, aber was ist, wenn sie sich für den falschen Weg entscheiden?«
»Jeder macht Fehler. Sogar Rabbiner. Wir sind alle nur Menschen.«
In letzter Zeit hat es den Anschein, als würde ich mehr als den üblichen Prozentsatz an menschlichen Fehlern machen. »Wollen Sie damit sagen, dass ich zusehen soll, wie mein Dad bis ans Ende seiner Tage allein bleibt?«
»Unsinn. Er hat doch dich, oder? Manchmal zählt nicht die Menge, sondern die Wichtigkeit einer Sache.«
»Das ist sehr philosophisch, Rabbi«, sage ich und lächle.
»Ich habe heute einen guten Tag.«
Ich beiße mir innen auf die Wange. »Davon hatte ich in letzter Zeit nicht sonderlich viele.«
»Ah, aber man lernt die guten Tage erst richtig schätzen, wenn man auch schlechte erlebt hat.«
»Wie Jona, als Gott dafür gesorgt hat, dass er vom Wal gefressen wurde?«
»Ich sehe, du hast deine Hausaufgaben gemacht.«
Ich beuge mich vor und flüstere: »Ja, obwohl ich das nicht alles für bare Münze nehmen kann, Rabbi. Es kommt mir ein wenig weit hergeholt vor, wenn Sie verstehen, was ich meine. Kann ich trotzdem Jüdin werden, auch wenn mein Verstand bei manchen Bibelgeschichten protestiert?«
Mit Rabbi Glassman kann ich ganz offen sprechen, weil er mich im Unterricht noch nie für meine Ansichten oder Argumente verurteilt oder ausgelacht hat. Er gibt mir das Gefühl, als wäre das, was ich zu sagen habe, wirklich wichtig und klug. Sogar wenn ich anderer Meinung bin als er.
Rabbi Glassman lehnt sich vor und wispert zurück: »Amy, ich finde auch, dass es weit hergeholt ist.«
Mir bleibt der Mund offen stehen. »Sie auch? Keine Sorge, Rabbi. Ihr Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben.«
Rabbi Glassman lächelt. »Ich glaube, am Ende geht es immer um Vertrauen. Und um Glauben. »
»An die Menschen?«, frage ich.
Er zuckt mit den Schultern, als wüsste er nicht auf alles eine Antwort. »An die Menschen … an Gott … an sich selbst. Meinst du, dass du Vertrauen und Glauben hast?«
Ich sehe zu ihm auf. »Soll ich das jetzt beantworten?«
Mein Rabbiner schüttelt den Kopf. »Ich weiß nicht, ob du schon so weit bist, diese Frage zu beantworten. Denk einfach eine Weile darüber nach und komm dann wieder zu mir, wenn du … sagen wir … zwanzig bist.«
Ich stehe auf und versuche, all das im Kopf zu behalten, was Rabbi Glassman mir mit auf den Weg gegeben hat, während ich sein Büro verlasse. »Bis gleich im Unterricht, Rabbi«, sage ich über die Schulter. »Und danke fürs Zuhören.«
»Jederzeit gern«, ruft er mir nach.
Fünf Minuten später sitze ich mit fünf anderen im Konversionsunterricht. Mein Vater ist Jude ist, meine Mutter nicht. Ich habe die meiste Zeit meines Lebens bei meiner Mom verbracht und bin ohne Religion aufgewachsen. Letzten Sommer in Israel habe ich gemerkt, dass mir in meinem Leben etwas gefehlt hat: Jüdin zu sein. Also lerne ich jetzt so viel wie möglich übermeinen Glauben.
Deshalb die religiöse Unterweisung.
Wir treffen uns einmal die Woche. Rabbi Glassman liest mit uns Geschichten aus der Bibel, und wir tauschen uns darüber aus, diskutieren und überlegen, welche Bedeutung oder welche Botschaft dahintersteht. Er erklärt uns auch die verschiedenen jüdischen Feiertage und bringt uns die Gebote bei. Der Rabbiner sagt, dass Traditionen einen großen Teil des Judentums ausmachen. Da ich aber nicht wirklich
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