Zwischen uns die halbe Welt: Sommerflirt 2 (German Edition)
Aber ich gebe es in der Öffentlichkeit nicht zu.
Ich lehne mich zu meinem Nachttisch hinüber, öffne die Schublade und ziehe das silberne Gliederarmband heraus, das Avi mir letzten Sommer geschenkt hat, als wir zusammen waren. Dabei fällt mir ein Foto von ihm in die Hand. Ich habe es mit Dads Kamera nach unserem letzten offiziellen Date gemacht, bei dem ich von ihm erst Sushi und dann Köter bekommen habe.
Ich studiere das Bild eingehend – seine Mokkaaugen und seine dicken dunklen Haare. Nicht zu vergessen sein Markenzeichen: das Halblächeln, bei dem mir jedes Mal das Herz stehen bleibt. Nie und nimmer lassen ihn die israelischen Mädchen in Ruhe, so viel steht fest. Das macht mir Angst und ist Futter für meine schlimmsten Komplexe. Ich bin nicht hübsch genug, meine Brüste sind zu groß, ich bin nicht dünn genug.
Kotz, ich hasse es, wenn ich mich so auseinandernehme und mich nur auf meine Makel reduziere. Avi mag mich dafür, wie ich bin. Das weiß ich.
Sein Bild zu küssen, wäre voll daneben. Das würde mir nicht im Traum einfallen. Dafür drücke ich es an meine Brust und umarme es. Das ist auch daneben, aber immer noch weniger als knutschen.
»Amy, tut mir leid, aber der Anruf war wichtig.«
Wunderbar, jetzt platzt mein Dad auch noch einfach so hier rein und kriegt mit, dass ich ein Foto umarme. Das Einzige, was mich davon abhält, ihm einen Vortrag darüber zu halten, dass man bei Jugendlichen an die Tür klopft, ist das Rache-Date, das ich für ihn vereinbart habe. »Weißt du, was dein Problem ist?«, sage ich.
»Was?«
»Bei dir kommt erst die Arbeit und dann das Privatleben.«
Er nimmt das Leben viel zu ernst, aber ich gebe mir Mühe, ihn da etwas lockerer zu machen. Das mit der Arbeit bereitet mir wirklich Sorgen. Er kriegt bestimmt bald einen Herzinfarkt, wenn er nicht ein bisschen kürzer tritt.
Er kommt näher und ich lasse Avis Bild mitsamt dem Brief schnell unter dem Kopfkissen verschwinden.
»Ich habe Verpflichtungen, Amy, die ich vor langer Zeit eingegangen bin.«
»Ja, ja«, sage ich und setze mich auf. »Die Leier kenne ich schon. Was ist jetzt wieder? Braucht dich der Präsident der Vereinigten Staaten als Bodyguard?«
»Dafür ist der Secret Service zuständig.«
»Was ist dann so wichtig?«, frage ich ihn.
»Ich muss ein paar Tage verreisen. Darum ging es in dem Telefonat. Es lässt sich auch nicht verschieben, diesmal nicht.«
Cool. Dann habe ich sturmfreie Bude? Das eröffnet ungeahnte Möglichkeiten.
»Wann?«, frage ich ein bisschen zu eifrig.
»Am Freitagmorgen. Am Sonntag komme ich zurück.«
Zwei Nächte ohne elterliche Aufsicht! Da sieht die Zukunft doch gleich viel rosiger aus. »Darf ich dein Auto nehmen?«
»Nur, um zu deiner Mutter zu fahren. Du wirst dort wohnen. Ich habe gerade mit ihr gesprochen. Du kannst meinen Wagen haben, um zu ihr zu fahren.«
Das sehe ich ja überhaupt nicht ein. »Ich bleibe ganz bestimmt nicht bei Mom und Marc. Was soll ich denn dann mit Köter machen? Außerdem glaube ich, dass Marc allergisch auf uns beide ist.«
»Der kommt in eine Hundepension.«
Ich wünschte, er würde über Marc sprechen, aber so viel Glück habe ich nicht. Ich stehe auf, bereit zum Kampf. »Also, Köter und mich gibt es nur im Doppelpack. Das mit der Hundepension kannst du vergessen. Ende. Basta. Aus.«
Ich brauche geschlagene sechsundfünfzig Minuten, bis ich ihn davon überzeugt habe, dass ich alt genug bin, ohne Eltern in der Wohnung zu bleiben.
Die Zukunft liegt verheißungsvoll vor mir.
9
Frage Nummer 2 zum Thema koscher essen: Milch und Fleisch darf man nicht mischen, denn Gott sprach: »Das Junge einer Ziege sollst du nicht in der Milch seiner Mutter kochen« (Exodus 23,19).
Und warum kann ich dann nicht Milch mit Hühnchen essen? Ein Hühnchen kann man schließlich nicht melken.
»Wieso schaust du alle zwei Sekunden zur Tür?«, fragt Marla mich am nächsten Tag bei der Arbeit.
Ähm … das könnte daran liegen, dass Dads Date jeden Moment hier auftauchen wird, gefolgt von meinem Dad, der immer noch nichts von seiner Verabredung weiß. Er denkt, Marla will mit ihm über meinen Arbeitsplan reden. Ich habe irgendeine alberne Geschichte erfunden, damit er um sieben ins Café kommt.
»Ich warte auf meinen Dad«, erkläre ich meiner Chefin schuldbewusst.
Die Tür geht auf. Es ist eine Frau, die ich noch nie hier gesehen habe. Ob es diese Kelly ist? Oder jemand anders? In ihrer Mail hat Kelly geschrieben, dass sie rotblondes Haar hat.
Weitere Kostenlose Bücher