Zwischen uns die halbe Welt: Sommerflirt 2 (German Edition)
an. Seit ich gestern mit meiner israelischen Cousine telefoniert habe, bin ich über meine Beziehung zu Avi ins Grübeln gekommen. Offensichtlich habe ich bei ihm nicht oberste Priorität. Warum sollte es dann umgekehrt bei mir so sein?
Ohne Wes eine Antwort zu geben, schlendere ich ein Stück von den anderen weg und starre auf den Michigansee. Die Rückseite der Synagoge geht auf den See hinaus, eine absolute Toplage. Auf dieses Filet-Grundstück wäre mein Stiefvater bestimmt total scharf. Ich stelle mir vor, unten am Sandstrand zu sein.
Plötzlich schießt mir das Bild von Nathan durch den Kopf und bricht in meine Gedanken an Avi ein. Optisch kann er in keinster Weise mit Avi mithalten. Avi ist zum Niederknien-Umfallen-Sterben schön. Er sieht aus, als wäre er einer Abercrombie-Werbung entsprungen. Nathan ist das genaue Gegenteil. Er sieht so linkisch aus, wie er sich benimmt, und es kümmert ihn nicht mal, dass er ein Einzelgänger ist. Avi dagegen hat einen Haufen guter Freunde.
Bevor Avi und ich uns ineinander verliebt haben, haben wir uns den größten Teil des Sommers erst mal gehasst. Am Anfang haben wir uns jedes Mal, wenn wir uns auf zwei Fuß nahe gekommen sind, in die Haare gekriegt. Als er mich geküsst hat, war es genauso explosiv wie zuvor die Streitereien und unglaublicher als jeder Kuss, den ich jemals bekommen habe.
Ich bin sicher, Nathans Küsse würden gegen die von Avi voll abfallen.
Ich presse meine Hände links und rechts gegen die Schläfen und schließe die Augen. Wie kann ich nur darüber nachdenken, Nathan zu küssen? Ihhh!
Okay, ich gebe zu, seine grünen Augen sind der Wahnsinn. Sie haben kleine braune und goldene Sprenkel drin, und wenn er mich damit ansieht, dann merke ich, wie ich nach diesen Sprenkeln suche. Ein Typ wie er sollte nicht solche Augen haben.
»Hey, Amy, alles in Ordnung?«
Es ist Jessica. Ich habe keine Lust, jetzt darüber zu sprechen, nicht mal mit meiner besten Freundin. Irgendwie bin ich gern allein mit meinem Elend. »Alles okay.«
»Du findest, die Jugendgruppe ist spaßbefreit, oder? Tut mir leid, dass ich dich mitgeschl–«
»Sie ist nicht spaßbefreit.«
»Und warum bläst du dann Trübsal?« Glaubt es oder nicht, aber meine beste Freundin verdreht tatsächlich die Augen über mich. »Echt, Amy, du musst über Avi hinwegkommen. Du benimmst dich in letzter Zeit wie ein totaler Einsiedler und gehst schon allen auf die Nerven, vor allem mir. Kannst du das Kapitel nicht abhaken? Avi ist garantiert nicht die ganze Zeit mies drauf und zieht seine Freunde und alle um ihn herum runter.«
Mit großen Augen stehe ich da und kann es überhaupt nicht fassen, dass Jessica mich gerade so runtermacht. Das hat sie noch nie getan. Wir sind immer zusammen durch dick und dünn gegangen, egal, ob es um Jungs oder Pickel oder Eltern oder die Schule ging. »Sag mal, ist es zu viel verlangt, wenn ich von meiner besten Freundin ein bisschen Unterstützung erwarte – gerade dann, wenn ich sie am meisten brauche?«, sage ich.
»Weißt du was, Amy? Dasselbe denke ich auch«, erwidert sie und stürmt zurück zu ihrer Sukka .
Was zum Teufel sollte das? Ich bin zu sehr durcheinander, um einen klaren Gedanken zu fassen. Ich will nur noch nach Hause. Aber es kommt noch schlimmer: Ich bin auf Jessica angewiesen, weil ich mit ihr hergefahren bin.
Auch ich stampfe zurück zu meiner Gruppe und pflanze mich wieder neben Wes von Lickity Split.
»Amy, du hast dich gerade auf eine Banane gehockt«, informiert Wes mich und bricht in Gelächter aus. Nikki und die anderen kichern mit. Alle Augen ruhen auf mir, alle warten auf meine Reaktion.
Ich könnte heulen – dafür müsste ich mich nicht mal sonderlich anstrengen. Ja, ich spüre sogar schon, wie sich hinter meinen Augenlidern ein Wasserfall anstaut.
Ich schließe die Augen und denke an den feuchten, labbrigen Matsch, der die Jeans durchweicht, die auszusuchen mich so viel Mühe und Zeit gekostet hat. Und an Jessicas Ausbruch. Und an die Schwangerschaft meiner Mutter. Und an Avi und Nathan und das desaströse Date meines Vaters. Und Köters unersättliche Sucht, jeden im Schritt anzuschnüffeln.
Für den Fall, dass ihr es noch nicht mitbekommen habt: Mein Leben ist offiziell ruiniert.
12
Rabbi Glassman hat gesagt, ihm wäre in der Highschool klar geworden, dass er Rabbiner werden will.
Um ganz ehrlich zu sein, glaube ich eher, dass Gott ihn zum Rabbiner auserkoren hat und nicht andersrum.
Für einen ganz normalen Menschen
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