Zwischen uns die halbe Welt: Sommerflirt 2 (German Edition)
kennen würde, würde ich ihn aber nicht automatisch für einen Juden halten. Ich frage mich, ob er sich je gewünscht hat, jemand anders zu sein als der, der er ist.
Ich hätte zum Beispiel nie gedacht, dass ich irgendeiner Religion angehören wollen würde, doch nun habe ich meine Meinung geändert. Jüdisch zu sein, ist nichts, was man sich so überlegt, es ist ein Teil von mir. Ein Teil, den ich erst vor Kurzem entdeckt habe, aber dennoch ein bedeutender.
»Nach meiner Konversion möchte ich eine Bat Mitzwa «, sage ich zu meinem Vater und lenke damit seine Aufmerksamkeit wieder auf mich.
»Mit einer großen Feier?«, fragt er.
Je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, dass ich keinen großen Rummel möchte. »Ich würde lieber danach nur Jessica und ein paar Freunde zu uns einladen. Und Mom und Marc. Also, wenn das für dich okay ist.«
»Das ist okay. Es ist sogar ganz wunderbar.«
Er sieht aufmerksam zu, wie die Kosmetikerin seine Nagelhaut wegschneidet oder zurückschiebt und seine Nägel in Form feilt. Ich glaube, dass es ihm genauso gut gefällt wie mir, aber das würde mein super-männlicher Dad bestimmt niemals zugeben.
Ich suche mir eine French Manicure aus, während Dad sich für ein schlichtes Fläschchen Klarlack entscheidet.
Als wir fertig sind, geleiten uns die Nageltechnikerinnen an den Trockenplatz und instruieren uns, unsere feuchten Nägel unter ultraviolettes Licht zu halten, damit sie schneller trocknen.
Ich lege meine Hände darunter, während Dad sein Lichthärtungsgerät nimmt und untersucht.
»Stell das wieder hin, bevor wir Ärger bekommen«, flüstere ich.
»Ehe ich meine Hände unter etwas stecke, möchte ich gern genau wissen, worum es sich handelt. Sei nicht so vertrauensselig, Amy«, rät er mir und verfällt in seinen Security-Modus.
Ich kichere. »Genau, die Kosmetikerinnen sind der Feind. Da muss man echt Schiss haben. Ultra -Schiss.«
Er stellt das Gerät wieder hin, hält aber noch immer nicht seine Hände unter das fluoreszierende blaue Licht. »Reden wir über Avi«, sagt er stattdessen.
»Warum?«
Er zuckt die Achseln. »Ich möchte nur wissen, ob ihr immer noch ein Pärchen seid.«
»Dad, das Wort ›Pärchen‹ ist schon seit den Siebzigern out, aber ja, ich finde ihn immer noch toll. Mir ist klar, dass wir uns lange nicht gesehen haben, aber ich hoffe, dass er im Sommer, wenn wir nach Israel fliegen, freikriegt.« Ich sehe meinen Dad von der Seite an. »Du weißt, dass er mein Nicht-Freund ist, oder?«
»Was genau bedeutet das?«, fragt er. »Ich habe Jesscia und dich das ein paarmal sagen hören, aber ich verstehe es nicht.«
Ich prüfe meine Nägel, um zu sehen, ob sie noch feucht sind und mehr ultraviolette Strahlen brauchen, aber sie sind so trocken wie die Hausbar meines Stiefvaters. Ich rutsche von meinem Hocker, und versuche, die Beziehungsbezeichnung, die Avi aufgebracht hat, zu definieren. »Das bedeutet, dass wir mit anderen zusammen sein dürfen, weil wir im täglichen Leben kein richtiges Paar sein können. Es ist ziemlich unverbindlich und zwanglos. Wir sind einfach supergute Freunde. Alles klar?«
Er nickt. »Alles klar.«
»Apropos zwanglos, ich habe eine Überraschung für dich.«
»Aber nicht wieder ein Internetdate?«
»Nein, nein«, sage ich und schüttle energisch den Kopf. »Es sind gleich mehrere Dates auf einmal. Heute Abend. Speed-Dating in der Blues Bar in der Chicago Avenue. In fünfzehn Minuten geht’s los. Du musst dir keine Gedanken machen, wie du jemanden beeindrucken kannst. Jedes Date dauert immer nur drei Minuten, und es geht mehr darum, ob irgendwie ein Funke überspringt.«
15
Israel ist winzig. Und doch so umkämpft. Wahrscheinlich ist es so, dass die besten und schönsten Dinge oft ganz klein daherkommen.
Ich muss dringend an meinen Überredungskünsten arbeiten, denn mein Dad hat sich geweigert, auch nur einen Fuß in die Speed-Dating-Bar zu setzen.
Ich stehe vor dem Laden und warte, bis der Türsteher abgelenkt ist, sodass ich unbemerkt hineinschlüpfen kann.
»Kommt er?« Marla ist da. Sie trägt ein schwarzes, tief ausgeschnittenes Kleid. Sie war so begeistert, als ich ihr vom Speed-Dating erzählt habe, dass sie sich auch angemeldet hat. Sie will das unbedingt mal ausprobieren.
Ich gehe zu dem Organisator, einem Typ mit einem roten Haarkranz um den ansonsten kahlen Schädel. An seiner Brust prangt ein Namensschild mit dem Wort LARRY in großen schwarzen Buchstaben. »Mein Dad kann nicht
Weitere Kostenlose Bücher