Zwischen uns die halbe Welt: Sommerflirt 2 (German Edition)
bin.
Manche werden mich hassen, weil ich Jüdin bin.
Soll ich sie ignorieren oder ihnen Paroli bieten?
Am nächsten Tag entdecke in der Mittagspause Mitch an seinem Spind.
»Man macht nicht kurz vor dem Valentinstanz mit jemandem Schluss«, sage ich zu ihm. »Das ist voll daneben.«
Er zieht seine dichten Augenbrauen zusammen. Früher fand ich, dass ihn das wild und verwegen aussehen ließ. »Was willst du von mir hören?«, sagt er, schließt seinen Spind und geht.
Warum können Mädchen mit Jungs über Probleme sprechen, Jungs umgekehrt aber nicht? Sie geben irgendeine schwachsinnige Bemerkung von sich und suchen das Weite. Ich weiß, es ist eine Verallgemeinerung, aber es muss mal gesagt werden: Jungs haben ein Problem mit Problemen! Vor allem damit, darüber zu reden. (Und damit, sich festzulegen, auch. Aber das ist ein anderes Thema.)
Doch so leicht lasse ich mich nicht abschütteln. Als ich Mitch eingeholt habe, tippe ich ihm auf den Rücken und sage, während wir nebeneinanderherlaufen: »Du hast Jessica sehr verletzt. Das war nicht nett.«
Mitch bleibt stehen, nur die Locken auf seinem Kopf wippen noch immer auf und ab. »Lass stecken, Amy. Ich stand auf dich, dann nicht mehr und dafür habe ich mich in Jessica verknallt. Und jetzt stehe ich eben wieder auf eine andere.«
»Kannst du dich nicht mal auf eine festlegen?«
»Ja, solange ich auf sie stehe. Aber wenn es vorbei ist, ist es vorbei. Hey, ich bin siebzehn, ich muss mich noch nicht verheiraten!«
Am liebsten würde ich ihm eine reinhauen.
Während ich noch immer über sein egoistisches Gelaber nachdenke, lässt er mich mit all den anderen Schülern auf dem Gang stehen. Wie viele von ihnen sind genauso hohl? Nathan hat zu Marla gesagt, ich könnte ihn nicht leiden, weil er alte Klamotten trägt und eine Brille hat.
Daran liegt es nicht.
Plötzlich überkommt mich der Drang, Nathan umgehend wissen zu lassen, warum ich ihn nicht abkann. Ihm klarzumachen, dass das nicht daran liegt, dass ich oberflächlich oder primitiv bin oder mir zu schade wäre, um mich mit ihm abzugeben.
»Erde an Amy.«
Blinzelnd werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Cami und Raine stehen vor mir und wedeln mit den Armen vor meinem Gesicht herum. »Willkommen zurück in der Realität«, meint Cami und lacht.
»Was gibt’s heute zum Mittagessen?«, frage ich und versuche, Mitch und das, was er gerade gesagt hat, aus meinem Gedächtnis zu verbannen. Außerdem gibt’s montags manchmal Unos Pizza als Überraschung. (Wieder so eine Kohlenhydrat-Bombe, ich weiß … aber sie ist jedes Kohlenhydrat wert – wie Sushi.)
»Vergiss das Mittagessen. Erzähl uns lieber von dir und diesem Nathan, mit dem du zum Valentinstanz gehst. Die ganze Schule spricht darüber, falls es dir entgangen sein sollte. Alle fragen sich, ob du jetzt unter die Streber gegangen bist. Erst küsst du ihn in der Cafeteria und dann setzt du dich an Mirandas Tisch. Was ist in dich gefahren?«
Ich muss wieder daran denken, wie nett Miranda reagiert hat, nachdem ich so blöd zu ihr war, und wie schnell sie meine Entschuldigung akzeptiert hat, ohne lange auf der Sache rumzureiten. Sie hätte mich auch anzicken können, aber sie hat es nicht getan. »Miranda ist nicht verkehrt.«
Raine hebt ihre manikürten Hände. »Sie riecht wie Schweizer Käse, Amy. Man sollte meinen, sie müsste es mit ihrem großen jüdischen Zinken selbst merken.«
Jetzt ist es passiert. Zum ersten Mal, seit ich auf meinen Beitritt zum jüdischen Glauben hinarbeite, macht jemand mir gegenüber eine abfällige Bemerkung über Juden. Mehr als abfällig. Rassistisch, um genau zu sein. Mein Herz schlägt schneller, und ich merke, wie mir eng im Hals wird. Und flau im Magen.
» Ich bin Jüdin«, sage ich, bereit, mein Volk zu verteidigen, auch wenn ich dadurch auf der Beliebtheitsskala deutlich nach unten abrutschen werde. Und lasst euch eins gesagt sein: An der Chicago Academy unbeliebt zu sein, ist, als wäre man ein einsamer Hase inmitten einer Meute Jagdhunde. Oder inmitten eines Wolfsrudels.
»Ja, aber nicht so richtig. Du bist nur zur Hälfte jüdisch«, sagt Raine, die gar nichts kapiert.
Aargh! Zur Hälfte. Als wäre ich nichts Halbes und nichts Ganzes, weil meine Mom nicht Jüdin ist? Falsch. »Ähm, da muss ich dir widersprechen, Raine. Ich bin ganz und gar Jüdin. Wenn du also hier anfangen willst, dumme Witze über die Juden zu reißen oder blöde Bemerkungen abzulassen, dann kommt das bei mir nicht so richtig gut
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