Zwischen uns die halbe Welt: Sommerflirt 2 (German Edition)
Innenstadt ist die Temperatur bestimmt um mindestens zehn Grad gefallen. Anscheinend passt sich das Wetter meiner inneren Kälte an.
Eigentlich weine ich nie, aber meine Augen werden gerade irgendwie ganz von selbst wässrig. Verdammt.
Zuhause angekommen, schmeiße ich mich auf mein Bett. Mein Vater tut mir leid – jetzt noch mehr, wo Mom und Marc wirklich eine eigene Familie gründen, während mein armer Dad allein ist. Nun wird er meine Mom nie zurückbekommen. Wenn er das mit dem Baby erfährt, ist er bestimmt total fertig. Ich muss mir was einfallen lassen – und zwar schleunigst. Mein Traum vom heilen Familienleben ist mir vor der Nase jäh zerplatzt.
Ist das normal, dass die Familie einen in den Wahnsinn treibt? Ich muss mit jemandem darüber reden. Am liebsten mit meinem Nicht-Freund, aber der ist irgendwo mitten in Israel in der Ausbildung. Keine Telefonanrufe im Ausbildungslager.
Ich werfe einen Blick auf Avis Bild auf meinem Nachttisch. Er trägt einen Kampfanzug, über die Schulter hat er sein Maschinengewehr geschnallt. Und er lächelt. Lächelt. Als wäre nichts dabei, mitten in der brütend heißen Wüste Negev im Ausbildungslager festzusitzen. Im Moment vermisse ich ihn ganz besonders. Er ist so stark – innerlich und äußerlich. Ich wünschte, ich wäre genauso.
In seinem letzten Brief hat er mir was über die Sterne geschrieben. In der Wüste Negev habe er zum Himmel hinaufgeschaut, und der sei so klar gewesen, dass er mindestens eine Milliarde Sterne gesehen habe.
Er schrieb, dass er da an mich denken musste und sich gefragt hat, was ich unter denselben Sternen wohl gerade mache. Mein Herz ist quasi zu Knoblauchbuttersoße dahingeschmolzen (in die dippe ich so gern meine Pizza), als ich seinen Brief gelesen habe. Manchmal denke ich, dass er die richtige Sichtweise aufs Leben hat. Und ich? Ich würde beim Anblick einer Milliarde Sterne wahrscheinlich denken: Ich bin so klein und unbedeutend .
Ich sitze auf meinem Bett und öffne meinen Rucksack. Von dort lacht mich die Seite mit den Kontaktanzeigen an. Ich muss sie aus Versehen eingesteckt haben. Ich reibe mir die Augen und werfe einen Blick auf die schwarzen Zeilen.
Eine klitzekleine Idee, so winzig wie ein weit entfernter Stern formt sich in meinem Hinterstübchen.
Wenn sich Mom und Marc ihr eigenes kleines Vorort-Familienidyll erschaffen können, dann werde ich das für meinen alleinstehenden Dad doch wohl auch hinkriegen – und zwar hier in der Stadt.
Was spricht eigentlich dagegen, eine Annonce für ihn aufzugeben? Vielleicht lernt er ja, wie Marla es ausgedrückt hat, auf diese Art und Weise seine Seelenverwandte kennen.
3
Frage Nummer 1 zum Thema koscher essen:
In Levitikus (11,1) zählt Gott auf, was koscher ist und was nicht. Von pikanten Thunfisch-Sushi-Rolls mit kleinen Tempura-Knusperstücken ist in der Bibel nirgends die Rede.
Attraktiver, nachdenklicher jüdischer Vater mit bezaubernder siebzehnjähriger Tochter sucht Frau für Restaurantbesuche, zum Tanzengehen und für Spaziergänge im Park. Du solltest Hunde mögen und weder Neurosen noch Komplexe haben.
»Ich bin wieder da, Amy. Und ich habe dir Sushi mitgebracht.«
Ich stopfe den Entwurf in meinen Rucksack und renne zur Tür. Ja, ja, ich weiß, dass die Anzeige noch Feinschliff braucht, aber darum kümmere ich mich später. Sushi kann nicht warten. »Hast du auch die pikanten Thunfisch-Rolls bekommen?«
»Ja.«
Ich drücke ihm einen Schmatz auf die Wange. »Du bist der Beste. Sind da auch Tempura-Knusperflocken drin?«
»Tut mir leid, das habe ich vergessen. Ich hoffe, sie sind trotzdem genießbar.«
Er zieht mich auf, weil er genau weiß, dass ich meine Thunfisch-Rolls mit und ohne Tempura verschlingen werde.
An der Tür geht Dad noch kurz die Post durch. Das ist wie eine Sucht bei ihm. Sonntags dreht er immer fast durch, weil er keine Post kriegt. Und wenn es endlich Montag ist, geiert er richtiggehend danach.
Ich schnappe mir die weiße Take-away-Sushi-Tüte vom Sideboard neben der Wohnungstür. Mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen, so freue ich mich aufs Sushi. »Wie war’s im Büro?«
»Viel zu tun, wie immer. Und in der Schule?«
»Viel zu tun, wie immer.«
Er sieht mich von der Seite an.
»Ja, echt«, bekräftige ich. »Wir haben drei Tests geschrieben, von denen ich einen wahrscheinlich verhauen habe. Dann saß ich geschlagene zwei Stunden über den Hausaufgaben und ich habe immer noch keine Verabredung für den Valentinstanz. Das
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