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Zwischen Wind und Wetter

Zwischen Wind und Wetter

Titel: Zwischen Wind und Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Straeter
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war dem Gesetz nach gesühnt.
    Traurig nickte die Nonne. Ja, traurig war die Geschichte, traurig war, daß Colleen Bawn, die so jung und so schön war, so unglücklich sterben mußte — und dieser starke Fischersmann sie nicht lebend in seinen Armen halten konnte.
    Traurig war aber auch — jetzt schien die Nonne eifrig zu nicken — , daß dieser Text, wie viele andere Inschriften, nicht die wahre Geschichte erzählte.

    »Schlimm war es auch«, sagte der Polizist in Heinrich Bölls Geschichte vom toten Indianer in der Duke Street, »schlimm war es auch an dem Tag, an dem eine Nonne in der Duke Street den toten Indianer fand. Sturm herrschte und Regen peitschte, und der Sturm war so heftig, daß er ihr schweres nasses Habit hochhob, und ich«, sagte der Polizist in jener Geschichte, »und das ist der Beweis, und ich konnte für Augenblicke sehen, daß sie ihr dunkelbraunes Höschen mit rosa Wolle gestopft hatte...«

    Wenn eine Nonne einen toten Indianer finden konnte, warum sollte sie nicht die Wahrheit über Colleen Bawn wissen? Ich war plötzlich sicher, daß sie’s wußte.
    Wie der junge Mann aus gutem Hause sich vielleicht in das arme Mädchen verliebt hatte, und nur ‘a form of marriage’, eine Art Heirat möglich war, um das Mädchen auf das Schloß zu bekommen. Und da war der Vetter, Konkurrent erst und dann Mittäter. Wie die beiden das Mädchen in das Schloß lockten, zu nächtlichen Spielen vielleicht, die Colleen erschrocken verweigerte. Die beiden jungen Adeligen waren gewohnt, daß ihnen gehorcht wurde. Gebildet waren sie, so daß sie nicht nur das jus primae noctis übersetzen konnten.
    In dunkler Nacht, Sturmwind und Regen peitschten um die dicken Schloßmauern, das Feuer des großen, offenen Kamins warf wilde Schatten an die Wände, in dieser dunklen Nacht erkannte Colleen Bawn das falsche Spiel und wehrte sich. Das sollte ihr Unglück sein. Die Nacht war dunkel genug, um die Leiche unbemerkt mit einem Boot ein Stück auf das Meer hinauszubringen und über Bord zu werfen. Durchnäßt kehrten die Burschen heim.
    Doch das Meer ist ehrlich. Es behält nichts für sich.
    Und so sah Sean, der Fischerbursche, als er am nächsten Tag wie immer auf das Meer hinausfuhr, die Leiche der schönen Colleen Bawn im Wasser treiben.
    Er brachte sie zurück, tot trug er sie auf seinen starken Armen den Strand hinauf ins Dorf. So wurde die finstere Tat ruchbar. Das junge Glück des armen Mädchens auf dem Schloß hatte nur kurz gewährt.
    Das Leben der beiden Missetäter währte nicht viel länger und endete am Galgen.

    Nochmals las ich den Text auf der Bronzetafel, spürte den Blick der Nonne in meinem Rücken, schaute auf den Mädchenkopf. Die gerechte Strafe ereilte die Mörder, Adel und hochbezahlte Rechtsverdreher nützten nichts. So wurde der Tod des Mädchens gesühnt und erschien in einem milden Licht.
    Ich drehte mich um. Der Busfahrer hatten den Motor angelassen. Die Nonnen redeten miteinander oder waren mit sich selbst beschäftigt. Nur die eine, die schaute zu mir oder zum Denkmal herüber, als wollte sie sagen: Jetzt haben wir beide die Geschichte richtig verstanden. Und sie sah gar nicht mehr traurig aus.
    So geht es mit Geschichten, in denen Nonnen vorkommen.
    Schön war sie, die Colleen Bawn, so schön.

    Wieder Sonne, den ganzen Tag lang Sonne. Das richtige Wetter für das Paradies der Golfer.
    Old golfers never die! Ballybunion besitzt zwei weltberühmte Wettkampfplätze für Golf, sogenannte Golf Links. Der ältere Platz (the Course) ist die Nummer Zwei in Europa und gehört unter die Top Ten weltweit.
    Und dieses Jahr, 1993, ist Centenary Year! Golf in Ballybunion feiert den hundertsten Geburtstag. Was haben wir ein Glück, wir Kenner der Materie, die noch nie einen Fuß auf den heiligen Rasen gesetzt haben. Nur wissen, daß ein guter Platz achtzehn Löcher hat.
    Wir, die wir uns eher mit dem neunzehnten Loch beschäftigen, das die Zapfhähne guter Kneipen ziert, wissen immerhin, daß der Ball mit möglichst wenig Schlägen über, neben und durch die Schikanen zum Loch getrieben werden muß. So, wie das leere Pint zum Zapfhahn drängt. Und daß Bernhard Langer... Stopp, wir wollen noch nicht alles verraten, was wir wissen.

    Zunächst denken wir an nichts Böses. Wir wandern los, parallel zur Küste, um später über den Strand zurückzukehren. Unterwegs kommen wir an einem ehemaligen Büro für die drahtlose Telegraphie zwischen Irland (Ballybunion) und Kanada/Neuschottland (Cape Breton

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