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Zwischen Wind und Wetter

Zwischen Wind und Wetter

Titel: Zwischen Wind und Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Straeter
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aufgegeben worden zu sein, kein Strahl huscht mehr in den Nächten über das Wasser der Bucht. Ein Wahrzeichen der Vergangenheit, ähnlich dem hölzernen, unbeleuchteten Zeichen — der ‘Hölzernen Hand’ — auf dem gegenüberliegenden Ballymacadoyle-Hügel.
    Als Motiv für die Malerin taugt er noch.

    Dienstag, 15.6.
    ‘The downpour of the century.’
    So lautet der Titel der ‘Irish Times’ von heute. ‘Das Unwetter des Jahrhunderts.’ Das Tief aus der Biscaya, das schon England heimgesucht hat, ist links abgebogen nach Irland. Wahrscheinlich hat es die für Touristen bestimmten Verkehrsschilder mit dem Hinweis ‘Keep left!’ befolgt. Es ist also brav nach links, nach Westen, abgebogen und hat sich jetzt mit einem anderen Tief getroffen, das strikt von Westen her, vom Atlantik, auf Irland zuhält. Die beiden ‘downpours’ unterhalten sich miteinander, und wie bei Leuten, die sich auf der Straße treffen und sich etwas zu erzählen haben: sie ziehen nicht weiter. Sie bleiben stehen, bleiben hängen über good old Ireland, trinken wahrscheinlich ein Guinness zusammen. Und dann singen sie:
    Kathleen ni Houlihan, du Meermaid, du Wasserjungfrau, sei gegrüßt, fáilte, willkommen in Hibernia, in Eire, in Poblacht na h Eirann, deinem Irland.

    Westmeath: Constant rain, Dauerregen.
    Mayo/Galway: The rivers on the highest level, Hochwasser in den Flüssen.
    Sligo/Leitrim: Parts of the towns are extensively flooded, Städte teilweise überflutet.
    Midlands: The heavy rains bring overflowings..., die schweren Regenfälle führen zu Überschwemmungen...
    Donegal/Derry: Bright sunny periods. Was soll das? Unvorstellbar. Sonne?
    Doch es normalisiert sich wieder. Southeast: Rain for more than 12 hours, Regen den ganzen Tag.
    Southwest (Munster mit Cork und Kerry), das sind wir:
    The region will escape the rain! Wie bitte? Wir sollen dem Regen entgehen?
    Ich halte die ‘Irish Times’ aus dem Hotelfenster, wir sind von Regen und Nebel eingehüllt.

    Doch was bedeuten die nassen Füße einiger Reisender gegenüber einer anderen schlechten Nachricht. Die Kartoffelernte des Jahres ist durch die Feuchtigkeit verdorben. Das erinnert an die ‘Famine’, die große Hungersnot im vorigen Jahrhundert, in den Jahren 1845 — 1849. Zwei Jahre lang hintereinander wurde die gesamte Kartoffelernte von der ‘Cholera’ genannten Kartoffelpest, dem Pilz ‘Phytophtora infestans’, vernichtet. Die Herrschaft des englisch-schottischen Landadels hatte in Irland, mit dem Segen der Regierung in London, dafür gesorgt, daß die einheimischen Bauern verelendeten und in die einseitige Kartoffelproduktion abgedrängt wurden. Durch miserable Pacht- und Erbgesetze wurde der Grund und Boden der Einheimischen zu Kleinbauernstellen aufgeteilt, die ihre Besitzer nicht mehr ernähren konnten. Im Erbfall mußte ‘katholischer’ Grundbesitz zu gleichen Teilen an die Söhne weitergegeben werden. Der Zukauf ’protestantischen’ Bodens war den irischen Katholiken verboten.
    Weizen und Fleisch wurden nach England ausgeführt, die Iren mußten sich zunehmend mit der Kartoffel begnügen.
    Vor der Hungersnot lebten im dichtbesiedelten Irland acht Millionen Menschen. Durch die größte soziale Katastrophe des 19. Jahrhunderts in Europa verlor das Land zweieinhalb Millionen Einwohner, die starben oder auswanderten. Beispielhaft für die englische Unterdrückung und das Ausnutzen der Notlage war ein gewisser Major Mahon, der derart rigide vorging, sich das Land seiner Kleinpächter anzueignen und diese in freier Natur oder in den Armenhäusern krepieren zu lassen, daß er schließlich von zwei Iren ermordet wurde.
    Inzwischen ist in einem Stall des ehemaligen Gutshofes der Mahons in Strokestown im County Roscommon ein Museum zum ‘Great Famine’ durch Präsidentin Mary Robinson eröffnet worden.
    Der irische Dichter Liam O’Flaherty hat dieses auch heute noch tiefgreifende irische Thema in seinem Roman ‘Zornige grüne Insel’ eindrucksvoll verarbeitet.

    Den Nachmittag verbringen wir im Literaturcafé, so etwas gibt es in Dingle, trinken Tee, schreiben Tagebuch und blättern in den ausliegenden Büchern und Zeitschriften.
    »Alles auf Englisch«, stellt Uschy stöhnend fest.
    Ja, alles auf Englisch, es hilft nichts. Her mit dem gelben Langenscheidts!

    Mittwoch, 16.6.
    Die Peninsula.
    Wir haben eine Halbinsel-Rundfahrt bei Moran’s Garage gebucht. John, der Fahrer des Kleinbusses, begrüßt uns, zwei weitere Deutsche und vier Amerikaner/innen

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