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Zwischen Wind und Wetter

Zwischen Wind und Wetter

Titel: Zwischen Wind und Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Straeter
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die gute Laune nicht gelitten, wir nehmen es hin, wie die Iren.
    ‘It could be worse’.

    ‘Woran hatte ich gedacht? Es war ein sehr dunstiger Tag.’ (H. D. Thoreau, 1856, während seines einjährigen out-door-Lebens).
    Nicht denken, handeln, denken wir uns. Wir werfen unseren ursprünglichen Plan um, an der Nordküste der Halbinsel (peninsula) Dingle bis Castlegregory zu den großen Stränden zu fahren, um dann über den Connor Pass zur Stadt Dingle vorzustoßen. Schöne Pläne für schönes Wetter. Es ist ein sehr dunstiger Tag. In der Tat. Heute gelingt mir das düsterste Foto unserer Reise. Die Landschaft wirkt schwarz, am Rand vor den Bergen ragen die noch schwärzeren Silhouetten verlorener Bäume auf, darüber die Ahnung von Bergzügen, umhüllt vom Nebel, von oben wälzend, drohend, fallend die Wolkenberge, mit ausgerissenen Rändern, aus denen das Wasser auf uns fällt.
    Der kleine Naturführer ‘Wolkenbilder’ sagt dazu:
    Typischer Altostratus, dichte Wolken, die in einer strukturlosen Masse zusammengeschmolzen sind. Mit der Ausbildung von Wolkenfetzen an den unteren Rändern.
    Strukturlose Masse! Wie das klingt! Die Wolkenfetzen können wir nur zu gut erkennen.
    Altostratus bedeutet unfreundliches, nasses und regnerisches Wetter.
    Richtig, wir können es bestätigen. Naß und regnerisch, ergänzt sich das — oder ist es dasselbe?
    Der nasse und regnerische und unfreundliche Altostratus kann über mehrere Tage andauern.
    Nein, bitte nicht!
    Altostratus! Wir klappen den Naturführer zu. Was ändert es, wenn wir jetzt wissen, wie die Experten das Mistwetter nennen!
    »Wenn die Wolken sich hier, nördlich der Dingle-Berge, ausregnen, dann kann es südlich der Berge besser sein«.
    Ilse blickt zweifelnd, meint aber: »Schlechter kann es nicht mehr werden .«
    Nach Süden, Richtung Killorglin und Castlemaine.
    Sechs Kilometer unablässig bergauf kämpfen wir uns über einen Paß der dreihunderteinundfünzig Meter hohen Slieve Mish Mountains. Im ersten Gang, bei Gegenwind. Wir tauchen ein in das Wetter, je höher wir kommen in immer mehr weiße Nieselsuppe. In den Milchwald, ach Dylan Thomas. Warum gerade wir, warum ausgerechnet Irland? Warum nicht die sonnige Bretagne, die heitere Provence?
    Alles ist naß, nur die Kraftanstrengung hält uns warm. Die Pausen sind ungemütlich. Und Ilse hat immer noch kein Fläschchen Whiskey gekauft...
    »Wir sind doch nicht bei den Bernhardinern«, wendet sie zu ihrer Entschuldigung ein, will aber die nächste Gelegenheit nutzen.
    Die Paßhöhe bestätigt meine Vermutungen, es klart etwas auf, Regen und Nebel lassen nach, wir genießen die fünf Kilometer lange Abfahrt. Nur ein oder zwei Autos begegnen uns, keine Radfahrer, die Straßen sind leer. Leer zwar, aber in schlechtem Zustand, vor allem auf der linken Seite. Es lebe de Selby und die Straßentheorie. Es riecht nach Kohle- und Torffeuern, überdeckt nur vom süßlichen Geruch des Ginsters, der noch in dreihundert Meter Höhe blüht.
    Könnten wir nicht jetzt auch zu Hause gemütlich am Kamin... Ich verdränge die Gedanken daran. Schokoladenpause in Castlemaine. Wir sitzen an der Straßenkreuzung in der Ortsmitte auf einer Bank vor der Wasserpumpe. Neben dem Sparladen gegenüber zweigt die Straße nach Dingle ab; wir sehen die Wolkenmassen, wie sie sich von Süd-Südwest kommend über die Berge nach Tralee wälzen. Es regnet nicht. Hier nicht.
    Jetzt nach Westen, auf der fünfzig Meter über dem Meer an den Bergflanken entlang führenden Küstenstraße. Es wird heller, plötzlich ein Wolkenloch und vereinzelte Sonnenstrahlen. Wir blicken über die Bay hinüber nach Iveragh, der großen Kerry Halbinsel, dem Ring of Kerry. Zufriedenheit durchzieht uns, das Leben ist schön, das Radfahren eine Freude, die Speichen blitzen.
    »Platten !« schreit Ilse.
    Welch ein Glückstag, es ist nur das Vorderrad. Wir kichern etwas blöde und machen uns an die Arbeit. Nach einer halben Stunde sind wir wieder flott.
    »Jetzt ist der ganze Stundendurchschnitt kaputt«, bemerke ich.
    »Du mit deinen sportlichen Ambitionen«, höre ich aus einiger Entfernung, Ilse ist bereits ein Stück voraus.
    Kleine Erholungspause in Inch, wo die gleichnamige große Sandbank mit Dünen in die Dingle Bay hineinragt. Wir sitzen auf einer Bank vor ‘Foley’s’ rostrotgestrichenem Pub, Ilse holt zwei kleine Guinness nach draußen. Wir fühlen uns wohl. Irland, schreckliche Schönheit.

    Kurz vor Dingle liegt rechts die Jugendherberge ‘Ballin Court

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