Zwischen Wind und Wetter
mit einem
»Hallo, folks!«
Alte, steinerne Bienenkorbhäuser, ein Ringsteinfort (Promontory Fort); Ogham-Steine, vorkeltische und keltische Kultsteine mit Einkerbungen, die als Namen entschlüsselt werden konnten; die frühchristliche Gallarus Oratory, eine massive Steinkapelle. John erklärt, erzählt kleine Geschichten dazu, läßt sich fragen. Er macht das locker, sehr gewandt, ich schätze sein Alter auf dreißig Jahre. Er hat uns zu Beginn der Fahrt versprochen, langsam zu reden. Und langsam zu fahren. Beides hält er ein.
Wir sehen die Blasket Islands, wo seit 1953 niemand mehr wohnt, die letzten Bewohner wurden auf das gegenüberliegende Festland nach Dunquin umgesiedelt. Tomás O’Crohan war einer der Bewohner, einer der ungekrönten ‘Könige’ der Inseln, die ihre Erinnerungen aufschreiben ließen: ‘The Island Man’, der deutschte Titel lautet: ‘Die Boote fahren nicht mehr aus’.
Dann sehen wir die Insel Beginish, die aussieht wie ein Mann, der auf dem Rücken liegt, beobachtet von den ‘Three Sisters’, einem Bergrücken mit drei Spitzen.
John fährt uns hart am Rande des Slea Heads vorbei, an den wilden Felsklippen, die schräg abwärts geschichtet in der Gischt verschwinden.
Das Wrack ist fort!
»Never seen again !« sagt John.
Natürlich habe ich ihn sofort nach dem Wrack gefragt, ich kenne die Bilder aus Büchern und Zeitschriften, auf denen der Teil des Frachters, der nach der Strandung auf den Felsen des Slea Head hängen geblieben war, zu sehen ist.
Das war 1982. Seitdem war das Wrack der ‘Ranga’ ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen und Motiv für Fotografen aus aller Welt.
Und nun ist das Wrack fort. Die Reste, erzählt John, sind 1991 auseinandergebrochen und haben dann die Winterstürme 1992/93 nicht mehr überlebt.
Never seen again! Ich bekomme aus John nicht so recht heraus, ob sie froh sind, die sichtbare Erinnerung an eine Katastrophe losgeworden zu sein, oder ob sie um eine Touristenattraktion trauern. Aber nun ist ja Fungi da, der Delphin.
Ebenfalls am Slea Head wurde 1968 der Film ‘Ryans Daughter’ gedreht, wovon uns auch Ina Ryan, die Wirtin aus O’Brians Bridge erzählt hatte. Das eigens dafür aufgebaute Filmdorf mußte wie vereinbart nach Drehende abgerissen werden, die Iren wollten so etwas nicht am Slea Head. Dennoch begann um diese Zeit der Tourismus, sich für die Halbinsel Dingle zu interessieren. Wer den Film gesehen hat, erkennt die große Sandbucht; der Weg des Hauptdarstellers für die Schlußszene ist noch markiert; daß ein Helikopter bei den Dreharbeiten abstürzte, erzählt John.
In Ballyferriter (Baile an Fheirténraight oder Baile an Feirteiris) trinken wir Tee in einer Kneipe, in der wir uns wie im Saloon eines Küstendampfers der zwanziger Jahre fühlen. Weißgestrichene Holzbretter an den Wänden, karge Einrichtung mit Erinnerungen an die Seefahrt, Kompaß, Barometer; eine roh zusammengezimmerte Theke.
Wir trinken Tee. Das Schiff schwankt nicht.
Wir müssen noch einen Friedhof mit gälischen Kreuzen und christlichen Madonnen besichtigen, dann bringt uns John auf schmalen Straßen durch das Landesinnere wieder heil nach Hause.
»Thank you, John!«
Donnerstag, 17.6.
Das Übliche.
Morgens um sechs: weiße Wolkenstreifen, weite Sicht, kein Regen.
Etwas später: Sonne.
Um elf Uhr: das Übliche.
Wir bleiben im Zelt, essen Ham and Eggs, Schinken mit Eiern, üben Englisch anhand des Beipackzettels der Eierschachtel:
‘These eggs are lead by hens that have the freedom of fresh green pasture daily. It is important to note, that their feed is totally free of any antibiotics, artificial colouring or additives of any kind.’
Glückliche Hühner, glückliche Eier, glückliche Menschen. Wir sprechen ein kurzes Dankgebet dem Department of Agriculture and Food, das uns dies alles mitteilt, uns beruhigt, uns schützt vor Antibiotika und Farbzusätzen. Hoffentlich.
In den ‘Tagebüchern von Adam und Eva’ von Mark Twain steht bei Adams Eintragungen an solchen Tagen nur: Durchgewurschtelt.
Freitag, 18.6.
Der Mann, den es nicht gab.
Hätte er doch geschwiegen, der Pierce Ferriter!
Pierce war Bauer. Schon lange, in Ballyferriter (oder Baile an Fheirténraight oder Baile an Feirteiris) auf der Dingle Halbinsel in West Kerry. Schon seine Vorfahren waren hier ansässig gewesen, solange man denken oder erzählen konnte. Pierce war vierunddreißig Jahre alt, ein kräftiger, kurzhaariger Bursche mit verschmitztem Gesicht. Auch bei
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