Zwischen Wind und Wetter
House’, mit einer Wiese unter Bäumen, wo wir zelten können. Mitten auf der Wiese ist ein Ziegenbock angepflockt, im Innenhof der altehrwürdigen Gebäude schreit ein Pfau. Einige wenige Zelte sind aufgebaut, der Blick nach Süden geht frei über die Landschaft mit Zäunen und Hecken bis zur Dingle-Bucht. Nebenan weiden Kühe und Pferde, ein Hahn kräht. Der Wind zerfetzt die Wolken, kein Regen mehr.
Wir sind neugierig, machen einen Kurzbesuch in der Stadt. Es hat sich einiges verändert seit 1977, als wir zum erstenmal hier waren. Wir entdecken mehr Geschäfte, mehr Kneipen. Auch mehr Menschen eilen durch die Stadt. Doch wie damals wirkt Dingle bunt, liebevoll und gemütlich. Doyle’s Seafood Bar ist noch da, mit frisch gestrichener, knallroter Fassade.
Im Hafenbecken liegen zwei seetüchtige Fischkutter, es könnten mehr sein. Eine Segelschule hat sich angesiedelt, viele kleine Jollen dümpeln auf dem Wasser. Der Tourismus als Wirtschaftsfaktor zeigt seine Spuren, wir finden eine Reihe kleiner Hotels und Pensionen und eine zweite Jugendherberge mit Zeltplatz in der Stadt. Vor der Stadt liegt der neue Riesenkomplex des ‘Skellig Hotels’.
Zurück im Zelt, gibt es eine Überraschung. Triumphierend zieht Ilse eine kleine Flasche ‘Paddy’s’ Whiskey aus der Tasche. Beruhigend brennt der schmackhafte Aperitif in unseren Mägen.
Dann braten wir Fleischspieße auf dem Kocher im Zelt.
Dingle ist erreicht. Hier werden wir zwei Wochen bleiben, ausruhen — und Besuch bekommen.
Zum Nachtisch gibt es jene schon einmal erwähnten süßen Plätzchen, die Hob Nobs. Hob Nobs schmecken so verteufelt gut wie Welsh Cakes, walisische Plätzchen.
‘Hob Nobs are oaty, crunchy, biscuits with the delicious homebaked taste.’
Hombaked Taste — ein Geschmack’wie bei Muttern’. Wenn man nicht die ganze Rolle auf einen Rutsch aufessen will, läßt man am besten die Finger davon!
Der Kilometerzähler hat fast die Tausendermarke erreicht.
Freitag, 11. 6.
Fungi und die Tölpel.
In der Stadt herrscht reges Leben, das Wochenende naht. Ilse beginnt sofort mit dem Aquarellieren, sie malt zwei Männer auf Leitern beim Anstreichen einer Hausfassade, einer zur Zeit in Irland häufig anzutreffenden Beschäftigung: Irland ist nicht grün, Irland ist farbig, von Weinrot über Blau bis zu allen denkbaren Rosatönen.
Das ‘Skellig Hotel’ liegt am Ortseingang, von Tralee aus gesehen, man kann es wegen seiner unproportionierten Größe nicht verfehlen. Wir fragen in der Rezeption, wann die neuen Gäste eintreffen werden, sie haben noch keine genauen Angaben. Ilses Mutter ist aber registriert, das Zimmer ordnungsgemäß reserviert. Auch das ‘Corner-House’ in der Dykegates Street finden wir, es liegt in der Nähe des Hotels. Uschy, unsere Bekannte, die zusammen mit Ilses Mutter zwei Wochen Urlaub hier verbringen will, wird dort wohnen.
Die Attraktion des Ortes ist ‘Fungi the Dolphin’. Irgendwo in der Bucht lebt seit einiger Zeit ein Delphin, ein Einzelgänger, der aus unbekannten Gründen hier geblieben ist, sich anscheinend wohlfühlt und auch ernähren kann. Regelmäßig fahren vom Hafen aus Motorboote hinaus, um das Tier zu besichtigen. Außerdem gibt es das Angebot ‘Swim with the Dolphin’, eine Taucherschule bietet Anzüge und Teilnahme an.
»Oh no, ohne uns«, entscheidet Ilse.
Mich zieht es auch nicht in den Taucheranzug, aber mit dem Boot würde ich gern hinausfahren. Einmal habe ich bisher lebende Delphine in freier Natur gesehen, auf der Rückfahrt von der Isle de Sein nach Audierne in der Bretagne. Einige Tiere waren zurückkehrenden Segelbooten bis vor die Hafeneinfahrt der Isle de Sein gefolgt und zeigten dort ihre faszinierenden Sprünge. Und ein Delphin begleitete unser Motorboot, sich seitlich vorn in der Bugwelle tummelnd. Das Motorboot bekam Schlagseite, weil fast alle mit Fotoapparaten über der Bordwand hingen. Der Delphin schwamm vor, kam zurück, drehte sich, schwamm auf dem Rücken und blickte uns an. Dann drehte er plötzlich ab, das Motorboot war ihm wohl nicht schnell genug.
In Dingle begnügen wir uns zunächst mit dem Videofilm, der über Fungi gedreht worden ist. Hauptdarsteller Fungi läßt anscheinend mit großer Geduld die ständigen Belästigungen der Menschen über sich ergehen. Wie in einem synchronen Tanz bewegen sich eine Taucherin und das Tier nach einschmeichelnder Musik, die wohl in der Bucht nicht zu hören sein wird.
Der Abendspaziergang bringt uns zu einer außerhalb
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