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Zwischen zwei Nächten

Zwischen zwei Nächten

Titel: Zwischen zwei Nächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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ahnungslos gewesen. Ich habe selbstverständlich Bescheid gewußt. Wir haben vor meiner Abreise nach Salzburg darüber gesprochen und vorgehabt, nach meiner Rückkehr noch einmal in Ruhe über alles zu reden.“
    „Du hättest sie doch gar nicht mehr zu Gesicht bekommen. Die TWA fliegt morgens um sieben Uhr vierzig von Schwechat.“
    „Irrtum, sie hätte die sechzehn Uhr Maschine genommen, die ALIA, weil die direkt fliegt. Hast du das nicht gewußt?“
    Ann-Marie ist sprachlos.
    Phänomenal! Er hat tatsächlich für alles eine Erklärung parat.
    Sie schüttelt den Kopf und entzieht ihm ihre Hand.
    „Na, ist ja auch egal jetzt. Jedenfalls wäre ich rechtzeitig in Wien gewesen, um sie zum Flughafen zu bringen, und für ein Gespräch wäre uns auch noch genügend Zeit geblieben.“
    Ann-Marie runzelt die Stirn, aber ihr will einfach keine passende Bemerkung einfallen.
    Ich werde alt , stellt sie verärgert fest.
    „Heute mit Vierzig helfe ich nach mit teurer Chemie und exklusiver Garderobe. Ich brauche doppelt so lang, um halb so gut auszusehen wie früher. Die neugierigen Blicke werden seltener und begehrliche registriere ich überhaupt keine mehr. Spiegel und Waage verraten unerbittlich, daß ich mit den Jahren immer dicker und unansehnlicher werde. Allein die vierzig Zigaretten pro Tag bewahren mich davor, als fette Matrone zu enden. Die passenden kräftigen Schenkel und ausladenden Hüften besitze ich ja bereits. Alfred bezeichnet mich immer als Walküre, wenn er mich ärgern will. Gerade er mit seinem Bauch hat es nötig, über mich zu spotten. Manchmal, wenn es mir gut geht, finde ich mich mit meinem Übergewicht ab. Ich habe eben einen starken Knochenbau. Aber dann packt mich wieder der Ehrgeiz, und ich quäle mich mit sinnlosen Diäten und Hungerkuren. Mayo-Diät, Päckchensuppen, Obsttage, Ahornsirup, Weight Watchers – es gibt nichts am Markt, was ich nicht schon mindestens einmal ausprobiert hätte. Meistens verliere ich auch drei bis vier Kilos, die ich aber innerhalb von nur wenigen Tagen spielend wieder hinauffresse. Oft halte ich diese Schlankheitskuren nicht einmal eine Woche lang durch. Tagsüber gelingt es mir, mich mit Joghurt und Knäckebrot zu begnügen, aber an den langen Abenden stürze ich mich dann mit unvorstellbarem Heißhunger auf den leider immer vollen Kühlschrank. – Ich trinke zuviel, esse zuviel, rauche zuviel und habe Angst, krank zu werden. Mein Körper reagierte schon damals, als ich dahinterkam, daß Alfred mich betrügt, mit eigenartigen Beschwerden. Nicht auszudenken, was mit mir passieren wird, wenn ich einmal ernsthaft erkranke. Ich schlug mich jahrelang mit Migräne herum, litt unter Magen- und Darmkrämpfen, Erbrechen und Herzbeschwerden und fraß sinnlos Tabletten in mich hinein. Mein Leiden sollte ihn treffen, wenn nicht zurückholen, so wenigstens Schuldgefühle hervorrufen, behauptete mein Analytiker. Und ich denke, er hat recht. Denn Alfred zeigte sich damals sehr besorgt um mich, hielt es sogar ein paar Monate lang ohne Freundin aus und bestand darauf, daß ich mich gründlich durchuntersuchen ließ, als Erste-Klasse-Patientin im Spital. Die Ärzte konnten nichts finden und schickten mich mit vielen Rezepten und guten Ratschlägen wieder heim. Aus dieser Zeit blieben mir zum Glück nur die Schlafstörungen erhalten. Eine Weile habe ich mich mit Valium vollgepumpt. Als selbst die höchste, vom Arzt erlaubte, Dosis nichts mehr half, stieg ich auf Großmutters altbewährte Hausmittel um, trank heiße Milch mit Honig, nahm Kräuterbäder und machte mir feuchte Umschläge. Es nützte alles nichts. Dann las ich einen Artikel über Akupressur und versuchte es damit. Für kurze Zeit trat eine gewisse Besserung ein, aber vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. Schließlich fand ich mich damit ab, nächtelang wach zu liegen und zu grübeln. Obwohl ich sehr schreibfaul bin, ich fürchte, du hast in all den Jahren höchstens zwei Dutzend Briefe von mir bekommen, führte ich konsequent Tagebuch. Ich schrieb unzählige dieser kleinen, chinesischen Bücher voll, nicht, weil ich Angst vor dem hatte, was ich dachte, wie Doris Lessing es einmal formuliert hat, sondern, um alles festzuhalten, um ja nichts zu vergessen. Mit penibler Genauigkeit notierte ich jede Kleinigkeit. Du hast immer über meine bürokratische Ader gespottet und wirst daher nicht verstehen, welch wichtige Rolle diese Tagebücher spielen. Sie dokumentieren jede Gemeinheit meines lieben Ehemannes, jedes

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