Zwischen zwei Nächten
uns bleibt ist zu reden immer wieder zu reden über das Grau die Dunkelheit die beklemmende Stille den Zwang die Einsamkeit und die Oberflächlichkeit die Lust verkommt zur Peinlichkeit Leidenschaft und Obsession besitzen einen obszönen Beigeschmack Unsicherheit und Angst ebenso verbreitet wie Neid und Mißgunst wie ist es möglich sich dieser Gesellschaft zu entziehen ohne in Mystizismus zu versinken ohne sprachlos zu werden in dieser geschwätzigen Zeit nackte Worthülsen ersetzen das Gespräch Fernsehsprache Werbesprache die Leere wird mit blöden Witzen überbrückt Sinn für Humor scheint die einzig wirksame Waffe gegen Dummheit zu sein die wachsende Gleichgültigkeit gegenüber den Erwartungen und Meinungen der anderen eine Chance taub zu werden für ihre Urteile und Ansprüche gesellschaftlich für nichts verantwortlich sein ist verantwortungslos sein nicht gleichbedeutend mit frei sein sich zurückziehen aus der seichten Intimität rebellieren gegen repressive Moral Werte und Normen als das erkennen was sie sind und daher permanent in Frage stellen auch wenn nicht mehr viel Zeit bleibt um diesem Gefängnis der ausgleichenden Vernunft zu entfliehen darf ich mich nicht drängen lassen nicht selbst bedrängen keine Scheu haben das Falsche zu wählen denn alles ist falsch künstlich verlogen und lächerlich keine Scheu haben vor der Lächerlichkeit die angebliche Freiheit der Narren nützen sie nicht mit Medikamenten bekämpfen Tabletten gegen Lustlosigkeit gegen Verfolgungswahn gegen Schlaflosigkeit gegen Krämpfe verbunden mit meiner Weiblichkeit die mich meinen Körper als eine riesige ekelhafte Eiterbeule die jeden Moment aufzuplatzen droht empfinden lassen der vielgerühmte weibliche Masochismus früh haben wir gelernt zu leiden und Schmerz zu genießen das Altwerden scheint die einzig große Tragödie im Leben zu sein im Vergleich dazu erscheinen mir alle anderen Schmerzen nichtig und klein was würde ich nicht darum geben noch einmal zwanzig zu sein oder wenigstens dreißig meine Seele für die ewige Jugend für immer jung geblieben fällt es mir schwer zu glauben daß die Weisheit die man angeblich erst im Alter erlangt ein gerechter Ausgleich für die verlorene Jugend ist denn was nützt es mir zu wissen wenn ich mit meinem Wissen nichts mehr anfangen kann reif und abgeklärt sein bedeutet bereit sein für den Tod bald werde auch ich keine Erregung mehr verspüren keine Aufregung mehr erleben nur mehr auf das Ende warten ein sich unendlich in die Länge ziehendes Warten erfüllt mit Angst vor dem Alleinsein vor der Einsamkeit das Vertraute Liebgewonnene erscheint plötzlich fremd die Vertrautheit vorgetäuscht das Vertrauen gespielt hilflose Versuche die Isolierung zu durchbrechen doch die Isolation schreitet unbeirrt fort Fluchtversuche in romantische Tagträume vergeudete Energie keine Zeit zum Träumen nichts als Klischees bestimmen meine eigenen Träume die fade Erotik des Asphaltdschungels Glaspaläste und Betonwüsten Highways und Tankstellen Hollywoodstars in silbernen Blechkutschen chauffiert von hübschen schwarzgelockten Jünglingen es sind die Bilder meiner Jugend die Kinowelt der Fünfzigerjahre die mich nach wie vor in Erregung versetzen die Lichter der Großstadt laute Straßen rauchende Schlote graue Häuserfassaden keine Wald- und Wiesenromantik keine orangeroten Sonnenuntergänge kein Sternenhimmel die Natur interessiert mich nicht besonders alles verwelkt ohnehin Wärme empfinde ich nur in der Anonymität in meinem anonymen Selbst das nichts Sinnlicheres kennt als Hitze Stürme grelle leuchtende Farben und tiefes Schwarz das Ideal der Schwärze radikale Finsternis der Verzicht auf exzessiven Genuß nicht ident mit Konsumverzicht Genuß erinnert zu sehr an Sucht lenkt ab von den Gedanken die nur um Arbeit und Geld kreisen um das eigene Heim den eigenen Garten und das eigene Grab klein privat überschaubar unwichtige Kleinigkeiten die es sich scheinbar nicht zu bekämpfen lohnt entweder landet man sowieso in der Gosse oder man paßt sich an auch blinde Anpassung kann exzessiv betrieben werden mit Genuß vielleicht ein sprachliches Mißverständnis die Begriffe verschwimmen entschuldigen nur Großzügigkeit Toleranz Humanität ebenso inhaltsleere Schlagworte beliebig verwendbar oft das genaue Gegenteil dessen ausdrückend was sie einst bedeuteten längst überholte Worte das Leben ist schneller geworden das Loch zwischen Vergangenheit und Gegenwart größer was vor einem Jahr geschah
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