Zwischen zwei Nächten
besser nicht kratzt ich will sie nicht so gut kennen sie erinnern mich zu sehr an mich selbst.“
„Du darfst das ganze Gerede nicht so ernst nehmen, Ann-Marie. Die Leute reden viel, wenn der Tag lang ist. Ich habe gesehen, wie du dich mit diesem Säufer unterhalten hast, und möchte lieber nicht wissen, was der für unsinniges Zeug von sich gegeben hat. Natürlich sind alle völlig aus dem Häuschen gewesen. Keiner hat mit sowas gerechnet. Die wildesten Gerüchte haben die Runde gemacht. Bestimmt sind dir jede Menge Schauermärchen zu Ohren gekommen. Na, spuck’s schon aus, ich seh doch, daß dich etwas bedrückt.“
Sie haßt es, wenn jemand in diesem Ton mit ihr spricht. Mühsam beherrscht antwortet sie: „Ja, du hast recht. Der Rechtsanwalt hat etwas von Scheidung gemunkelt.“
„Der gute, alte Doktor Gerlich.“
Alfred lacht gezwungen.
„Fängt der jetzt auch schon an zu phantasieren. Das mußt du mir oben erzählen. Wir sind gleich da.“
Der Gedanke, Annas Wohnung zu betreten, macht sie nervös. Er bemerkt ihr Zögern.
„Du wolltest doch mit hinaufkommen, oder hast du es dir inzwischen anders überlegt? Ich bringe dich auch in dein Hotel, wenn du willst.“
„Nein, nein, ich komme gern auf einen Sprung mit rauf. Weißt du, ich hab gehofft, ich könnte vielleicht ein paar von Annas Sachen haben, als Erinnerung.“
Es ist ihr sichtlich unangenehm, Alfred um etwas bitten zu müssen.
„Vor allem möchte ich meine Briefe und die Fotos, die ich ihr im Laufe der Jahre geschickt habe.“
„Aber selbstverständlich. Ich habe nur gedacht … ist egal.“
„Was hast du gedacht?“
„Nun, von Annas persönlichen Sachen möchte ich mich nur sehr ungern trennen, das mußt du verstehen, auch für mich hängen viele schöne Erinnerungen daran.“
„Es geht mir wirklich in erster Linie um meine Briefe.“
Fluchend fährt Alfred dreimal um denselben Häuserblock, bis er endlich einen Parkplatz findet.
Es hat wieder zu nieseln begonnen.
Die Sonne wagte sich hervor. Ein warmer Wind vertrieb die letzten Wolkenfetzen. An den Fensterscheiben klebten noch ein paar Regentropfen.
„Ich würde mich gern hinaus auf die Terrasse setzen, ich brauch ein bißchen frische Luft“, sagte Ann-Marie. Anna war einverstanden, klappte die schwarz-weiß gestreiften Liegestühle auf und wischte den Holztisch ab.
Ann-Marie schlüpfte aus ihren schweren Stiefeln, zog den Rock und das Hawaihemd aus und legte sich, nur mit ihrer Unterwäsche bekleidet, in den gestreiften Stuhl.
Hunderte von dunkelbraunen Sommersprossen sprenkelten ihre Haut, sie hatte die bleiche, empfindliche Haut der Brünetten. Anna begab sich sofort auf die Suche nach dem Sonnenöl vom vergangenen Jahr. Ann-Marie schloß die Augen. Der lange Monolog ihrer Freundin hatte sie erschöpft. Auch Zuhören kann anstrengend sein.
„Massierst du mir bitte den Rücken, vorne kann ich mich selbst einschmieren“, bat sie Anna, die gerade ihre Beine mit Sonnenöl bearbeitete.
„Deine Füße sehen einfach schrecklich aus. Pediküre ist für dich wohl ein Fremdwort. Willst du nicht ein Fußbad nehmen?“
„Stinken sie so sehr?“
Ann-Marie grinste.
„Nein, nein, aber ich würde dir gern die Nägel machen, wenn du erlaubst.“
„Nur zu, laß dich nicht aufhalten. Aber bring mir bitte vorher noch einen Drink. Kein Bier mehr, ich hätte jetzt gern etwas Stärkeres. Hast du Whisky im Haus?“
„Da muß ich in Alfreds Büro nachsehen. Ich glaube, er hat eine Flasche für besondere Anlässe im Schreibtisch versteckt.“
„Gut, schau mal, ob du was auftreiben kannst, ich gehe mich inzwischen duschen, ich stinke wirklich wie eine alte Sau.“
„Nein, bleib sitzen, ich mach dir ein heißes Fußbad, duschen kannst du am Abend. Genieß jetzt die Sonne und laß dich ein bißchen von mir verwöhnen.“
Ann-Maries Protest fiel sehr schwach aus. Sie rekelte sich zufrieden in ihrem Liegestuhl.
Verwundert stellte sie fest, daß die Terrasse ziemlich verwahrlost aussah. In den schmalen Blumenbeeten entlang des rostigen Geländers wucherte Unkraut, nur in den Kästen, die außen am Geländer angebracht waren, blühten kümmerliche Stiefmütterchen. Bei der Mauer lagen leere Flaschen, Ölkanister, ein kaputtes Fahrrad und jede Menge unbenützter Blumentöpfe. Der künstliche Rasen reichte nur bis zur Hälfte der Terrasse, der Rest war betoniert. Der Gedanke, daß das Geld nicht gereicht hätte, drängte sich förmlich auf. Büro und Wohnung wirkten von hier aus wie
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