Zwischen zwei Nächten
ich trinke beobachte ich mich selbst so wie ich andere beobachte und bin mir selbst so fremd wie eine andere Person ich weiß daß erst der Tod alles verändert dennoch interessiert mich nicht was nach dem Tod kommt denn es kommt nichts seit ich erkannte daß es keinen Halt gibt suche ich auch keinen mehr die Verarmung der Gefühle führt zum Verlust der Identität nicht nur der Tod ist phänomenal im Auslöschen von Identitäten die vielleicht schlimmste Verarmung äußert sich für mich darin das Verlangen nicht mehr zu kennen es zu ersetzen durch Hysterie und Zwänglichkeit ununterbrochenes Gerede schale abgeschmackte Banalitäten und Plattheiten reden immer nur reden die innere Anspannung zerreden der sexuellen Bedürftigkeit durch permanentes Reden Ausdruck verleihen sich den ganzen Mist von der Seele reden wie verräterisch sind die vielen Worte primitive Selbstanalysen pseudopsychologisches Geschwafel rücksichtslos unsensibel auf den anderen nicht eingehend jede Distanz verletzend nur am eigenen Elend interessiert die Nabelschau treibt seltsame Blüten und doch findet sich immer wieder ein mehr oder minder freiwilliges Opfer das sich als Mistkübel benützen läßt bei dem man den eigenen Unrat abladen kann der mißbraucht wird und vergewaltigt zum stummen Zuhörer degradiert und fürs Zuhören nicht einmal bezahlt professioneller Zuhörer eine lukrative Berufsperspektive für die Zukunft fast so gefragt wie Freizeitanimateure die Sandkastenspiele für Erwachsene organisieren und uns motivieren unseren kindischen Ambitionen freien Lauf zu lassen nicht nur im Club- oder Abenteuerurlaub dürfen wir uns wie Kleinkinder benehmen Regression scheint außer Fernsehen die einzig legitime Form der Entspannung zu sein daß die Arbeitswelt kaputtmacht wissen mittlerweile alle dennoch kämpfen sie um Überstunden gefangen im mörderischen Konkurrenzkampf und stupiden Leistungsdenken die jede intellektuelle Aktivität töten um erfolgreich zu sein haben sie sogar gelernt vom Versagen zu träumen meine Sehnsucht nach dem anderen nach Menschen die nicht meine Sprache sprechen nach der absoluten sexuellen Befriedigung nichts als Flucht aus Resignation und Frustration meine wachsende Gleichgültigkeit gegenüber Konventionen und gesellschaftlicher Anerkennung erlaubt mir wenigstens diese kleinen gedanklichen Fluchtversuche doch an all dies denken heißt natürlich auch wieder an die Realität denken ein teuflischer Kreislauf der nur in Zynismus münden kann nichts ist einfacher als sich über die anderen zu amüsieren sie bieten abendfüllende Programme lustiger als jeder Witz unterhaltsamer als jeder Klamauk aktiver Widerstand nützt nichts schmeichelt vielleicht dem Ich ist jedoch eher ein ästhetisches Problem sich verweigern die Rolle des passiven unbeteiligten Zusehers spielen und nicht mehr darüber nachdenken wie es anders sein könnte ich hasse es mir meine Gedanken zu machen zu allem und jedem Gedankenlosigkeit wäre vielleicht ein Ausweg gegen nichts mehr kämpfen den Dingen ihren Lauf lassen und sich selbst treiben lassen bis zur Bewußtlosigkeit in den Tag hinein leben wie es so schön heißt sich hineinstürzen ins Leben für die Toten mitleben mit jener verzweifelten Intensität die ihrer würdig ist aber es funktioniert nicht Selbstmitleid und Melancholie die treuen Begleiter meiner Einsamkeit lassen sich nicht verjagen behaupten tapfer ihre Stellung überall tauchen Schranken auf unsichtbare aber deshalb nicht weniger einengende Grenzen hinter verschlossenen Türen findet der Ausbruch nur in meiner Phantasie statt die Ordnung ist stabil hält so kleine Verrücktheiten spielend aus keine Spur von Unordnung in Sicht es ist zwecklos sie zu suchen aufhören nicht nur zu denken sondern auch zu suchen die kategorische Strenge der hohe Anspruch an andere lassen nicht zu daß etwas Neues entsteht mich quält keine Neugierde mehr alles scheint schon einmal da gewesen es gibt nichts Neues ich bin müde geworden und wünsche mir längst Gesagtes nicht immer wieder sagen zu müssen längst Gedachtes nicht noch einmal überdenken zu müssen vielleicht findet man das andere das Fremde zufällig hier unter den Menschen mit denen man notgedrungen zusammenlebt in einer Stadt an einem Ort oder wäre es klüger die Bequemlichkeit aufzugeben und die zu fliehen die man besser kennt als sich selbst ihre Ängste ihre verzweifelten Versuche sich heraus und nach oben zu strampeln ihre scheinbare Zufriedenheit und Sattheit an der man
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