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Zwischen zwei Nächten

Zwischen zwei Nächten

Titel: Zwischen zwei Nächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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gehen.
    Ann-Marie war viel allein. Ihre Freunde konnte sie an fünf Fingern abzählen. Außer Jeff traf sie noch hin und wieder die beiden jungen Männer, mit denen sie früher zusammengewohnt hatte. Seit die zwei nach Brooklyn gezogen waren, sah man sich nur mehr selten. Sie kam sich in Gesellschaft der beiden meistens ein bißchen überflüssig vor. Das homosexuelle Pärchen schien sich selbst zu genügen. Und dann gab es noch Mira, ihre einzige Freundin, die dem Alter nach ihre Tochter hätte sein können. Mira war für jeden Unsinn zu haben, sie half ihr nicht nur beim Ausmalen fremder Wohnungen, sondern auch bei der Herstellung ihrer seltsamen Plastiken. Und sie kannte sogar ein paar Leute, die bereit waren, für Ann-Maries Objekte Geld auszugeben. Äußerlich sah sie der jungen Anna ein bißchen ähnlich. Auch sie war groß, blond und kräftig gebaut. Vielleicht hatte sich Ann-Marie deshalb so stark zu ihr hingezogen gefühlt.
    Ihre anderen Kontakte gingen über eine oberflächliche Bekanntschaft nicht hinaus. Man traf sich auf einer Party oder in einer Bar, unterhielt sich gut einen Abend lang, man telefonierte miteinander, wenn es neuen Tratsch zu erzählen gab oder wenn man sich gar zu einsam fühlte, aber das war es dann auch.
    Und die Männer? Ann-Marie konnte sich nicht mehr an alle erinnern. Große, kleine, dicke, dünne, schwarze, gelbe, weiße – zu mehr als einer kurzen Affäre hatte es nie gereicht.
    Jeff begann sich bereits über sie lustig zu machen, behauptete, sie wäre ihm in letzter Zeit treu, da er aus der unteren Wohnung keine verdächtigen Geräusche mehr vernähme. Er hatte recht, sie verlor tatsächlich mehr und mehr das Interesse an den Männern.
    Ann-Marie nippte an ihrem Whisky und ließ ihre müden Beine ins heiße Wasser gleiten.
    „Tut das gut, ist eine ausgezeichnete Idee von dir gewesen.“
    Anna konnte keine Minute stillsitzen. Sie sprang schon wieder auf und ging sich umziehen.
    In der engen, dreiviertellangen Hose und dem bedruckten T-Shirt sah sie gleich viel jünger aus.
    „Oh lala, Marilyn Monroe würde neben dir glatt verblassen. – Und jetzt setz dich endlich hin. Du rennst herum wie ein aufgescheuchtes Huhn und machst mich ganz nervös.“
    Ann-Marie drehte sich einen Joint.
    „Da, nimm einen Zug, das beruhigt.“
    Prompt fing Anna zu husten an.
    „Ziehen, mein Kind, ziehen.“
    Eine Weile blieb es still. Anna fürchtete, die Freundin würde gleich einschlafen. Aber Ann-Marie rauchte genüßlich ihren Joint und beobachtete ihre hektische Freundin mit zusammengekniffenen Augen.
    „Ich bring dir noch einen Whisky.“
    „Schmeckt dir der ‚Chivas Regal‘? Habe ich im Duty Free in London gekauft.“
    Alfred steht noch einmal auf und zieht die Vorhänge zu.
    „Ich kann es nicht leiden, wenn einem die Leute andauernd in die Wohnung gaffen. So finde ich es viel gemütlicher, du nicht auch?“
    Ann-Marie nickt zerstreut.
    „Wie erklärst du dir ihren Selbstmord? Ich begreif es einfach nicht.“
    „Ihr ist alles zuviel geworden. Sie hat Aufregungen, welcher Art auch immer, nur schwer ertragen und in solchen Situationen gern zur Flasche gegriffen. Ich bin überzeugt, daß sie schwer betrunken war. Vielleicht hat auch die geplante Reise eine gewisse Rolle gespielt. Vor Reisen ist sie immer unwahrscheinlich nervös geworden, sie hat richtiges Reisefieber gehabt. Außerdem darfst du nicht vergessen, daß sie es gehaßt hat, Entscheidungen treffen zu müssen. Vor allem hat sie die Unsicherheit, die neue Situationen mit sich bringen, gehaßt. Dazu sind noch all die Probleme gekommen, die sie selbst verursacht hat, zum Beispiel diese Geschichte mit dem Verkauf des Büros. Einmal hat sie es nicht schnell genug loswerden können, im nächsten Moment hat sie es sich wieder anders überlegt. Ich glaube, sie hat einfach nicht gewußt, was sie will. Manchmal hat sie sich wie ein Kind verhalten, ja, wie ein verwöhntes, egoistisches Kind. Ich habe oft zu ihr gesagt: ‚Anna, du mußt endlich erwachsen werden. Ich bin nicht dein Vater, der dir alles abnimmt, dir alle Wege ebnet und alle Entscheidungen für dich trifft.‘ Übrigens habe ich es dann meistens doch getan. Aber mit dieser Kritik habe ich nichts als Tränen und Vorwürfe geerntet. – Hörst du mir überhaupt zu, Ann-Marie?“
    Sie starrt auf die geschlossenen Vorhänge und murmelt: „Keine Angst, selbst wenn ich betrunken bin, entgeht mir kaum was.“
    „Du verträgst ja noch mehr als ich.“
    „Sag das nicht. Ich

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