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Zwischenfall in Lohwinckel

Titel: Zwischenfall in Lohwinckel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baum Vicki
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im Verdacht haben oder keinen. Mit den Leitungen war ja was los – ich hatte vormittag schon an einen Sabotageakt gedacht. Man will einen von den Leuten, Lungaus, schlecht beleumundeter Bursche, herumschleichen gesehen haben – aber wo ich nichts beweisen kann, verdächtige ich auch nicht. Und dann: Warum sollen die Kerle den Ast absägen wollen, auf dem sie sitzen? Sie sind ja froh, daß die Fabrik existiert. Sie sollen mal das Geschrei hören, wenn ich einen Monat Arbeitseinschränkung machen muß.«
    »Wollen Sie? …« fragte der Bürgermeister erschreckt.
    »Mal sehen«, erwiderte Herr Profet. »Wenn ich es irgend durchhalten kann –«
    »Soll ich Sie in meinem Wagen mitnehmen? Ihrer ist wohl noch immer kaputt?« fragte der Bürgermeister, vor seinem Auto anlangend.
    »Danke, ich möchte hierbleiben bis morgen früh. Wenn Herr Bürgermeister aber Frau Müller mitfahren ließen, die Frau meines Schofförs, sie hat einen Schreck gehabt, der arme Teufel. Soll in meiner Villa übernachten. Ihre Betten hat man in den Hof geschleppt.«
    Nein, er ist nicht der schlechteste Mann in der Gegend, dieser Profet, es gibt schlimmere Herren und härtere Betriebe, die Wollspinnerei in Düßwald zum Beispiel oder die Maschinenfabrik in Schaffenburg. Die heimgehenden Arbeiter reden davon, müde und erregungssatt, wie sie nach dem Brande sind. Die Hitzigkeit ist verflogen, als hätte das Feuer alles auf einmal in die Luft verpufft, der Wind springt um, es ist eine kühle, klare Nacht, und der Obermetteur Pank aus Berlin hat auch nur das Maul aufgerissen und nichts geschafft …
    »Fichli«, sagte das Fräulein von Raitzold, leise an ihren Bruder herantretend und ihn von rückwärts her auf den Ellbogen tupfend. »Fichli, alle Leute sind schon fort. Wenn du heimfahren willst, ich habe dein Rad da, ich kann nachher mit dem Jungen die Pferde vom Spritzenhaus hinausbringen.«
    Der Gutsbesitzer erschrak vor der beruhigenden Stimme seiner Schwester wie vor einem Einschlag. »Ich, nein. Ich muß noch ein paar Worte mit diesem Profet sprechen«, antwortete er hustend.
    »Jetzt? Es ist ja längst Mitternacht – und der Mann ist müde und hat den Kopf voll.«
    »Ich auch«, sagte Herr von Raitzold störrisch.
    »Muß das noch heute sein?«
    »Wenn's heute nicht ist, dann ist es niemals«, sagte er, es klang gewaltsam. Tatsächlich hatte dieser Tag vergehen müssen mit seiner Angst, der fieberhafte Abend im Kino, der Brand, das traumhafte stundenlange Hinstarren in Feuer, Rauch und Flamme, um den Gutsbesitzer so weit zu bringen, wie er jetzt war. »Laß – warte nicht – geh nach Hause«, sagte er rauh und zog seinen Arm unter dem beschwichtigenden Griff seiner Schwester fort. Sie waren bei dem kurzen Gespräch in den Schatten der Fabrikmauer zurückgetreten, so daß Herr Profet, der in sein Anwesen zurückkam, sie nicht bemerkte. Der Mond beschien ihn jetzt hell, auch brannten zwei weiße Bogenlampen, eine am Gittertor, eine am Hauptgebäude, und kleine wachende Laternen patrouillierten zwischen den schwarzen Skelettschuppen. Herr Profet, der. sich bis hierher tapfer gehalten hatte, sah wie ein ziemlich geschlagener Mann aus, als er durch den kalt-bitteren Brandgeruch den Fabrikhof überquerte, um zu seinem Kontor zu gelangen.
    Herr von Raitzold ließ seine Schwester da hinten im Mauerschatten im Stich, er fegte hinter dem Fabrikanten her und langte bei ihm an wie ein Geschoß, in einer unberechenbaren Flugbahn dorthin geschleudert, wo er stand.
    »Herr Profet – ich muß Sie noch einen Augenblick sprechen«, flüsterte er atemlos.
    Profet zuckte zusammen, er verschluckte eine Regung, die mehr Erschrecken als Erstaunen war, er setzte zweimal zu einer Ablehnung an, doch zuletzt zwang ihn etwas in Raitzolds Gesicht. »Bitte«, sagte er und ließ den Gutsbesitzer voran die Stufen zum Kontor betreten. Drinnen hatte der Schofför Müller schon eine Art von Behaglichkeit zu erzeugen versucht, die Schreibtischlampe brannte, eine Kognakflasche stand bereit, auf dem Ledersofa lag eine Autodecke; allerdings waren sämtliche Fensterscheiben durch das Feuer zersprungen, und die Nacht zog unwirtlich durch den Raum; Herr Profet schauderte in seinen naßgeschwitzten Kleidungsstücken.
    »Einen Kognak, Herr von Raitzold?«
    »Danke. Keinesfalls.«
    »Na – ich muß jedenfalls einen haben«, sagte Profet und setzte ohne viel Umstände die Flasche an den Mund. »Bleiben Sie im Vorzimmer, Müller«, sagte er nachher und wies Raitzold auf

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