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Zwischenfall in Lohwinckel

Titel: Zwischenfall in Lohwinckel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baum Vicki
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einen der beiden Klubstühle. Raitzold blieb steif mitten im Zimmer stehen, er hatte das deutliche Gefühl, daß er bei der geringsten Entspannung zerbrechen würde, und starrte blind auf die Wände, an denen koketterweise Fotografien aus Herrn Profets kleinen Anfängen hingen. Profets Eltern, Profet als lächerlich gewandeter Firmling mit einer Kerze in der Hand, Profet als Geselle mit andern Gesellen um ein Bierfaß gelagert, Profet als Mitglied des Arbeiter-Radfahrvereins »Frohes«Wandern.
    »Also?« fragte Profet.
    »Ich habe heute die offizielle Mitteilung erhalten, daß Sie –«, begann Herr von Raitzold, bemerkte aber sofort, daß er mit formellen Sätzen nie dorthin gelangen würde, wohin er mußte, und brach ab. »Ich wollte Ihnen nur sagen, daß es unmöglich ist«, stieß er erstickend heraus.
    »So kann man über Geschäfte nicht reden, Herr von Raitzold«, sagte Profet, nicht unfreundlich. Er war hundemüde, und der gutmütige Untergrund seiner Natur kam in dieser Abspannung zum Vorschein wie bei einem schwach Betrunkenen.
    »Für Sie ist das ein Geschäft. Für mich ist das kein Geschäft. Ich bin kein Geschäftsmann. Geschäft –!« rief der Gutsbesitzer ihm entgegen.
    Profet sah ihn aufmerksam an.
    »Ob es für mich ein Geschäft ist, das fragt sich noch. Mit den Zweihundertfünfzigtausend, für die ich Ihr Gut übernehme, ist es nicht getan, das wissen Sie besser als ich. Wenn ich nicht hinterher noch Hundert- bis Hundertfünfzigtausend hineinbuttere, dann kann ich gleich die Hände von dem verwahrlosten Stück lassen.«
    Als Herr von Raitzold sein Gut ein verwahrlostes Stück nennen hörte, spürte er wieder jenen kalten Krampf der Blutgefäße, der sein Erbleichen anzeigte – um so mehr, als Herr Profet die Wahrheit sagte. »Dann weiß ich nicht – wenn – dann – warum hetzen Sie mich dann von meinem Gut herunter?« fragte er, es war als Anklage gemeint, klang aber fast wie ein Weinen. »Sie machen Treibjagd auf mich – seit Jahren«, setzte er noch hinzu und biß dann auf seinen Schnurrbart, der ins Zittern geraten war.
    »Ich habe Ihnen früher einmal ein paar sehr anständige Angebote gemacht.«
    »Jawohl. Sie gehören natürlich zu den Leuten, die glauben, daß alles für Geld zu haben ist.«
    ›Jawohl. Das ist es auch‹, dachte Herr Profet, sprach es aber nicht aus. »Lassen Sie's gut sein«, sagte er und setzte sich schwer hin, Herrn von Raitzold mitten im Zimmer stehen lassend. »Feindschaft bleibt Feindschaft. Sie haben mir geschadet, wo Sie konnten in der Gegend, und ich schade Ihnen auch, wenn ich kann.«
    Auf dies hin sackte der Gutsbesitzer ein wenig in sich zusammen, und der Fabrikant sah dem aufmerksam zu. Tatsächlich hatte Herr von Raitzold die Lage ziemlich richtig gekennzeichnet, als er von einer Treibjagd sprach. Profet hatte sich oft ausgemalt, auch seiner Frau und seinen Freunden davon vorgeprahlt, wie es sein würde, wenn diese Raitzolds zur Strecke gebracht und Profet der unbestrittene Herr von Lohwinckel sein würde. Leider fühlte er sich in dieser Nacht etwas mürbe, so daß der Genuß an der Situation nicht so triumphal und durchdringend war wie in der Erwartung.
    »Ich bin heute zu müde für Verhandlungen«, sagte er plötzlich.
    »Ich verhandle nicht«, erwiderte Raitzold schnell, stand dann da und starrte dem Fabrikanten mit vorgerecktem Kopf in die Pupillen.
    »Ich verhandle nicht«, wiederholte er leiser. »Ich wollte Ihnen mitteilen, daß ich nicht vom Gut heruntergehe, ich gehe nicht vom Gut, Sie bekommen mich nicht herunter, mich nicht. Bevor ich Sie auf das Gut lasse – bevor ich Sie – da schlage ich alles kaputt. Bevor ich Sie auf das Gut lasse – ich schlachte das Vieh, ich holze den Wald ab, ich ersäufe die Wiesen, ich zünde das Haus an, ich zünde das Haus an –«
    »Sie zünden das Haus an? Aber Sie sind ja nicht einmal versichert!« rief der Fabrikant aufspringend.
    »Wenn ich versichert wäre – dürfte ich es doch nicht anzünden!« schrie der Gutsbesitzer. Zwei Welten hatten gesprochen. Im nächsten Augenblick schwiegen sie beide, schwer atmend, Kopf gegen Kopf gestemmt, zwei kämpfende Tiere, unversöhnbar.
    Herr Profet setzte sich wieder hin, er hatte so etwas wie Herzklopfen bekommen, eine Neuheit bei geschäftlichen Verhandlungen. Allerdings lag diese da, diese Auseinandersetzung in tiefer Nacht, in der ausgebrannten Fabrik und bei der es um den Schlußpunkt einer alten Feindschaft ging, außerhalb alles Gewohnten.

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