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Zwischenfall in Lohwinckel

Titel: Zwischenfall in Lohwinckel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baum Vicki
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mehr. Die Quälerei damit hat sie genau so ausgehöhlt wie mich. Aber jetzt ist es ja vorbei damit.‹
    »Jetzt ist es ja vorbei damit«, sagte er. »Womit?« fragte sie atemlos, halb in der Angst, halb in der Hoffnung, er wüßte nun schon alles von ihr und es bliebe ihr erspart, zu sprechen, zu erklären, zu zerbrechen, was zerbrochen werden sollte.
    »Mit der Arbeit. Mit meiner Idee und allem. Es ist nichts damit. Was ich da gemacht habe, ist alter Kohl«, sagte er. »Heute steht ein Artikel in der ›,Medizinischen‹. Andere Leute wissen das alles schon längst. Nur ich in diesem verdammten Winkel habe mich noch wie ein kompletter Narr damit herumgequält.«
    Sie richtete sich schnell auf und beugte sich über ihn, mit den Händen auf sein Bett gestützt. »Aber Kola –!« rief sie erschreckt. Sie war der einzige Mensch auf der Welt, der ungefähr verstand, welchen Zusammenbruch diese Worte umschrieben. Der Mann schloß die Augen und gab sich einen Augenblick der Nähe, der Wärme, der Geborgenheit hin, die darin lag, daß die Frau bei ihm war. Dann schaute er sie an, aufmerksam und stumm und lange. Es war jetzt etwas heller geworden, gerade so viel, daß die Fenster sich abzeichneten und die Möbel begannen, mit Umrissen aus der Nacht herauszuwachsen.
    »Wie kommt das Kind darauf – Rehle sagt – du willst fort – das ist doch nicht möglich?« flüsterte Persenthein plötzlich zu dem geneigten Schatten ihres Gesichtes hinauf, und dabei hatte er ein völlig unbekanntes, fast verwundertes Gefühl von Angst, das ihm beinahe den Brustkorb zerbrach.
    »Doch«, antwortete sie fast unhörbar und mit äußerster Anstrengung.
    »Bist du denn nicht zufrieden? Sind wir denn nicht zufrieden?« fragte er etwas später und so unwissend, daß Elisabeth zu lächeln begann.
    »O nein«, erwiderte sie.
    »Du hast mir das nie gesagt.«
    »Ich habe es ja nie gewußt.«
    ›Jetzt weißt du es, warum weißt du es jetzt?‹ dachte Persenthein, und erst in diesem Augenblick schossen seine Gedanken zu dem andern Mann hin, zu diesem Karbon, zu diesem Kerl mit seinen seidenen Pyjamahosen und den Globetrottermanieren, zu diesem faulen und saloppen Burschen aus einer andern Welt, den man auf der Straße aufgelesen und der dafür die Stadt und das Haus auf den Kopf gestellt hatte durch nichts als sein bloßes lockeres und genießerisches Dasein und Anderssein. Persentheins Kehle wurde heiß, und ein paar Augenblicke hindurch hatte er Karbons Hals zwischen seinen Fingern und würgte ihn. Er biß in seinen Daumenballen wie in einen Knebel, trotzdem kam noch der Rest eines Mordlautes, eines Stöhnens aus ihm; Elisabeth wandte ihm schnell das Gesicht zu, spähend in der Dämmerung. Der Doktor lockerte sich.
    »Das ist ja alles Unsinn«, sagte er. »Wovon sprechen wir überhaupt. Wir sind nur müde. Du bist überreizt und ich auch. Komm – es ist ja Blödsinn, alles zusammen.«
    Merkwürdigerweise und während Elisabeth gehorsam ihre Hand in die ihres Mannes legte, der nach ihr griff, schien es ihr beinahe richtig, was er sagte. Der kleine Spiegel drüben fing schon die erste Helle des Morgenhimmels. Hier, in den schräg abwärts stehenden Betten ihres Schlafzimmers, unter den billigen Steppdecken aus rotem Satin, verlor es seine Stichhaltigkeit, das alles mit Karbon. Aber sie hielt sich noch daran.
    »Ich habe noch so wenig vom Leben gehabt. Ich möchte auch etwas vom Leben haben …«, flüsterte sie. Persenthein, der ihre Handknöchel geknetet hatte, bis es weh tat, nahm jetzt diese Hand und brachte sie in ihr Bett zurück wie einen Gegenstand.
    »Elisabeth – das bist gar nicht du, die so etwas sagt«, flüsterte er erschreckt. Darüber dachte sie nach, ziemlich lange. Er hatte sich von ihr fort zur Wand gedreht, die in der Dämmerung zögernd mit ihrem unschönen Tapetenmuster zum Vorschein kam.
    »Dann habe ich es falsch ausgedrückt«, begann Elisabeth und suchte die endlosen Gespräche der letzten Nacht zusammen, das Schweben, das Aufschwingen, das Fliegenkönnen wie aus Träumen. »Da sind so viele Sachen – so neue Sachen. Ich habe das doch nicht gewußt, Kola. Ich dachte immer, ich habe dich lieb. Mit Karbon – das ist ganz anders, ganz. Jetzt weiß ich erst – nein – warte. Du kennst mich ja gar nicht, du siehst mich nie an, du brauchst mich gar nicht. Warst du schon jemals glücklich mit mir? Ach Gott, Kola, du kannst überhaupt nicht glücklich sein, wozu brauchst du mich denn, wenn du nicht einmal glücklich

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