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Zwischenfall in Lohwinckel

Titel: Zwischenfall in Lohwinckel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baum Vicki
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sein kannst. Ich könnte es – aber du nimmst mir das alles weg. Ja, alles nimmst du mir weg«, wiederholte sie heftiger, obwohl er nichts erwidert hatte. »Du brauchst mich fürs Haus, ja, ich weiß, du packst mir auf, du läßt mich schleppen. Aber muß ich es gerade sein, ich? Manchmal komme ich mir vor wie Lungaus, wahrhaftig, Kola; es ist gewissermaßen dasselbe, ich kann es nur nicht ausdrücken. Du benutzt uns alle nur, du bist unmenschlich, das ist es, die Arbeit hat dich unmenschlich gemacht. Wenn ich zur Tür hereinkomme, oft warte ich – du siehst mich nicht an, du machst mir nie ein gutes Gesicht. Du kommst heim, gehst in dein Zimmer – gibst du mir die Hand? Nein, nicht einmal die Hand gibst du mir, Kola, das weißt du gar nicht, das ist dir nicht wichtig. Aber mir. Mir war das wichtig«, sagte sie, und bei dem ›war‹ preßte der Doktor allen Atem in sich zusammen. »Du – zum Beispiel«, fuhr sie fort, »hilfst mir nie in einen Mantel, nie – das alles – du hebst mir nichts auf, das mir herunterfällt, du hilfst mir nichts tragen, das schwer ist, du streichelst mich nie, du bist nie gut zu mir. Du – warte, sei still, ich weiß, was du sagen willst. Du umarmst mich manchmal, ja, aber das kommt so vom Himmel gefallen, so – aus der Pistole geschossen, ich mag es nicht, nein, ich mag es nicht, es tut mir weh, es setzt mich herunter. Wenn das alles ist, wozu du mich brauchst – nein, es ist nicht wert, daß ich dafür mein ganzes Leben hergebe. Es kann alles so anders sein, so anders – so anders – und das weiß ich erst jetzt –«
    Persenthein lag in seinem Bett drüben wie am andern Ufer eines unüberquerbaren Ozeans. »Aber Elisabeth«, sagte er leise, »wir sind doch verheiratet.«
    »Ja, wir sind verheiratet, aber, mein Gott, mein Gott, Kola, ist denn die Ehe nichts anderes, wirklich nicht? Ich putze täglich deine Stiefel, sie sind vorne immer aufgebogen, weil du einen schlechten Gang hast; ich kann dir nicht sagen, wie ich diese Stiefel oft hasse. Und immer der Zigarrengeruch – oder wenn du Kaffee trinkst; du stellst jedesmal deine Tasse auf den Schreibtisch, da sind immerfort nasse Ränder, immerfort, wie ich das auswendig kenne, wie ich das über habe, immerfort ist alles schmutzig, immerfort putze ich hinter dir auf – wenn das die Ehe ist und sonst nichts – das geht, solange man glaubt: ›So muß es sein, und etwas andres gibt es nicht.‹ Aber wenn dann auf einmal ein Mensch dazwischenkommt, den man – und der alles –. Ach Kola, ich kann ja nichts dafür, aber wenn Karbon mich aus dieser Misere hier herausnehmen will, alles soll ich haben, alles überhaupt. Keine Sorgen mehr, und Reisen, die ganze Welt, Musik, und Kleider, was ich will, was man sich nie zu denken getraut hat, alles geht ganz leicht, und hier ist es so unbeschreiblich schwer gewesen.«
    Es war das Wort ›gewesen‹, das den Doktor hochriß. »Elisabeth«, sagte er laut und rüttelte an ihren Schultern. »Wovon sprichst du überhaupt? Du bist doch fromm?«
    »Ja«, sagte sie ungewiß und drehte die Augen nach ihrem Mann. »Ich weiß schon, Kola. Aber das ist es ja gerade: Das Frommsein hilft mir jetzt nicht. Das ist zu stark, das da.«
    Der Doktor ließ ihre Schultern aus seinem Griff, behielt aber sein Gesicht nun über das ihre geneigt, und sein schwerknochiger Körper zitterte von der Anstrengung dieser unbequemen Lage, in der er ihr nahe zu sein versuchte, ohne sie zu berühren.
    »Elisabeth«, sagte er leise. »Du fragst, ob das die Ehe ist. Ja, ich glaube, so ist sie: nicht ganz leicht, für dich nicht – für mich auch nicht. Du siehst heute alles ein bißchen verzerrt, aber, Elisabeth, ein Vergnügungslokal wird aus einer Ehe nie zu machen sein. Der Wert liegt nicht obenauf, den spürst du vielleicht nicht im Augenblick, aber du spürst ihn in der Zeit. Wir gehören doch zusammen, du und ich, wir halten uns doch, wir helfen uns doch. Das Kind, ich spreche nicht von dem Kind, es liegt mir nicht, das Kind als Argument zu benutzen. Aber es ist doch da, unser kleines Mädchen, und wir wollten doch auch einen Buben haben, später, wenn es uns besser geht. Ja, ich weiß, es sieht nicht hoffnungsvoll aus«, sagte er hastig, als er Elisabeths Mund verneinend zucken sah, »aber es wird besser werden. Mich bekommt man nicht unter, mich nicht – solange ich dich nur bei mir habe. Weißt du denn wirklich nicht, daß du alles für mich bist, alles, alles überhaupt, der Motor, der

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