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Zwischenfall in Lohwinckel

Titel: Zwischenfall in Lohwinckel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baum Vicki
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Chaussee entlang, mit dem Kopf immer wie durch Mückenschwärme.
    Der nächste Besuch, der bei der Lania erschien, war Herr von Raitzold. Er machte ihr jeden Vormittag seine Aufwartung, pflichtschuldig, ob es ihr paßte oder nicht. Er begab sich zu diesem Zweck in Kleidungsstücke von verschollener Eleganz und führte ein Gespräch im Offizierston vergangener Jahrzehnte. Dunkel erinnerte er sich noch, wie man mit Schauspielerinnen umzugehen hatte und welcherlei Anekdoten ihren Ohren angenehm sein konnten. Die Lania hörte ihm zu, dankbar für die Komplimente, die er ihrem Aussehen zollte, und weil er keinen Anstoß an der Wunde über ihrem Mund zu nehmen schien. Sie schaute ihn an mit hochgezogenen Augenbrauen, wie sie einen Edelstatisten angesehen haben würde, der in Spiel und Maske übertrieb. Dazwischen gab es immer kleine Löcher, Pausen, während deren Herr von Raitzold in sich zusammensank zu einem zerfurchten Sorgenbündel. Er hatte große Hände mit verrauchten Fingern und hohen blauen Adern.
    Herr von Raitzold seufzte. Er brachte ein paar Drohungen gegen den Herrn Profet vor, diesen Proleten, diesen Kerl ohne Verantwortungsgefühl, der von irgendwo zugelaufen war und die Gegend tyrannisierte. Die Lania zollte seinen erregten Reden Beifall. »Sie müssen etwas dagegen tun, Herr von Raitzold«, sagte sie entschieden. Das richtete den Gutsbesitzer auf, es richtete ihn mehr auf, als sie ahnte. Eine dumpfe Entschlossenheit sammelte sich in ihm aus vielen Quellen, wie in ein Staubecken. Er starrte Leores Beine in den Trainingshosen an, er fand die kleine Person tief unanständig und zigeunerhaft, aber gerade deshalb wurde in ihrer Gegenwart alles Hahnenmäßig-Männliche in ihm locker. »Man wird ja sehen – Herr bleibt Herr, und Schieber bleibt Schieber«, verhieß er.
    »Wo ist der Herr?« schrie jemand unten auf dem Hof. »Wo der Herr ist! Soll ebe nunnerkomme, 's hat telefoniert aus Schaffeburg.«
    Dem Gutsbesitzer schoß Blut unter die Stirnhaut, er rannte davon, die Hände flogen ihm auf dem abgeschliffenen Treppengeländer.
    »Wie?« schrie Herr von Raitzold in das Telefon. »Die Landwirtschafts-Bank? Wie? Was? Warum? Ich verstehe nicht!« Sein Blutdruck war nicht ganz in Ordnung, er litt an Ohrensausen. »Das ist ja nicht möglich!« schrie er in das Telefon. »Das ist ja nicht möglich. Das ist ganz und gar unmöglich. Absurd ist das«, sagte er nachher leise zu sich selber, als das Gespräch von der Gegenseite aus beendet wurde. Er setzte sich in den Lehnstuhl, denn seine Knie wurden unzuverlässig, und dort blieb er dann zunächst sitzen.
    Etwas später klingelte das Telefon abermals, Herr von Raitzold starrte in die Muschel wie in eine Revolvermündung, bevor er sich meldete. Diesmal aber war es Peter Karbon, der Frau Lania zu sprechen wünschte. Sie war zur Stelle, noch bevor man sie holen konnte. ›Endlich, endlich, endlich‹, schlug das Blut in ihrer Kehle den Takt, während sie die flachen, abgeschliffenen Treppenstufen hinabjagte. »Ich will nicht stören«, sagte Herr von Raitzold chevaleresk; es gab nur diesen einzigen Apparat in der Diele, die eigentlich sein Arbeitsbereich war, mit Schreibpult und Gewehrschrank. »Sie stören nicht im geringsten«, entgegnete die Lania. Wirklich bekam Herr von Raitzold nur den kühlsten Ton und die alltäglichsten Worte zu hören, solange Leore mit ihrem Freund sprach.
    »Wie geht's, Pittjewitt?«
    »Danke, gut. Wie geht's selber?«
    »Allright. Sind die Fäden herausgenommen? Ja? Hat es sehr weh getan?«
    »Nicht der Rede wert.«
    »Und wie sieht es jetzt aus? Bist du zufrieden?« … ›Wenn ich ihr das Gesicht zuschanden gefahren habe, werde ich sie zunächst mal heiraten müssen …‹ dachte Karbon drüben in Lohwinckel, in Doktor Persentheins Ordinationszimmer, wo Elisabeth Staub abwischte.
    Leore Lania, in der Gutsdiele, holte eine Sekunde Atem für ihre unsichere Stimme und um das Lachen herzuschaffen, das sie brauchte.
    »Danke. So ähnlich wie ein Pfannkuchen, in den ein Droschkengaul hineingetreten hat. Aber doch schon besser als vorgestern.«
    »Na, wenn du schon Witze machst –«
    »Um Toilettenfrau im Bahnhof Zoo zu werden, bin ich immer noch schön genug, weißt du.«
    »Armes, unglückliches Pittjewitt. Ich werde dann Stammkunde bei dir, wenn's so weit ist. Darf ich dich heute nachmittag besuchen?«
    »Nein. Das – nein.«
    »Sei nicht albern, Zwerg. So eitel darfst du nicht sein. Ich muß dich sehen –«
    »Ich bin so

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