Zwischenfall in Lohwinckel
zu bleiben – schon Markus war ausgewichen, schlechtes Zeichen –, sondern an ihr vorbeizielte.
»Rauchen, Pitt?«
»Danke.«
»Wie bist du eigentlich untergebracht?«
»Na – es geht. Ich bin heute umgezogen, in den Gasthof, ist eine komische Bude.«
»Warum denn umgezogen?«
»Ach – so nur. Es war mir ungemütlich im Doktorhaus.«
»Ja – nicht wahr? Der Umstand, den sie machen, wenn man baden möchte –«
Da das Gespräch für den Augenblick nicht recht weiterführte, ging Leore durch das Zimmer und auf den Balkon. Sie hatte wieder den Trainingsanzug an, nachdem sie eine halbe Stunde lang ihre Kleider probiert und wieder verworfen hatte, soweit sie aus dem zertrümmerten Koffer gerettet worden waren. Sie spürte ihre Hüften und den Anschwung des Gehens sehr stark, während Peter Karbon ihr folgte. Sie hatte immer in Peters Gegenwart dieses starke und glückliche Besitzgefühl des eigenen Körpers. In Karbons Gegenwart – und sonst nur in seltenen Momenten bei der Filmarbeit, wenn das Grammophon Stimmung dazu spielte und die Jupiterlampen blind machten und man Tränen der Leidenschaft aus sich herausgraben mußte, auf Kommando, im richtigen Augenblick und zitternd vor Anspannung der Seele.
»Nun laß dich mal anschauen«, sagte Peter, und dann schaute er sie an. Sie spielte mit der Zunge am Innenrand der Wunde, es schmerzte noch.
»Nicht der Rede wert, Pittjewitt. Du siehst ausgezeichnet aus«, sagte er, und sie erschrak. Er mußte großes Mitleid mit ihr haben, wenn er ihr Komplimente machte.
»War's schlimm?« fragte er leise und nahm ihre Wangen in beide Hände.
»Ja. Schlimm.«
Peter Karbon rieb seine Nase ein wenig an ihrem Haar. »Man darf dir ja vermutlich keinen Kuß geben, wegen der Hygiene«, sagte er dazu.
»Ja. Der Doktor hat es sehr mit der Sterilität.«
Karbon grunzte ein bißchen, ließ sie los und setzte sich wieder. Die Lania spürte das Neue, hoffnungslos Entfernte, sie kannte genau die Zeichen, mit denen eine Verbindung ihre Auflösung anzeigt.
»Bißchen fremd geworden, nicht?« sagte sie munter.
»Ja. Es ist komisch – man lebt bei so einem Malheur wie außer der Zeit. Daß wir von Berlin losgezogen sind, könnte Jahre her sein. Oder kommt das nur mir so vor, weil ich eine kleine Gehirnerschütterung gehabt habe?«
»Nein. Ich merke das auch –«
»Ich fühle mich sehr verantwortlich für die Geschichte. Ich weiß nicht, wie ich –«
»Unsinn. Du hast ja nicht einmal selber gefahren, Peter«, sagte sie schnell.
Das Gespräch verstummte vor der Erinnerung an den toten Fobianke, machte einen Bogen und tastete sich nach einer Pause weiter.
»Ich schlafe sehr wenig, Pitt.«
»Ja, nicht wahr? Zuerst fährt man immer noch mit dem Bett gegen den Baum – aber das wird bald besser. Ich bin schon fast damit fertig, und deine zähen Nerven kennt man ja.«
Leore machte eine gedehnte Katzenbewegung, als dieser egoistische Pitt da ihre Nervenkraft anrief. ›Nun ja, ich bin zäh‹, dachte sie. ›Wer zäh ist, an dem zerrt man, und wer tragen kann, bekommt aufgeladen.‹ Wieder lächelte sie uralt, Peter Karbon kannte das schon. »Makako«, sagte er.
»Was denn?«
»Melancholie der Kreatur. Lächeln aus dem Urwald. Affen sehen dich an«, äußerte er in Schlagworten. Leore änderte sogleich ihren Ausdruck. »Was vom Kleinen gehört?« fragte sie.
»Ja, er hat mir einen vorbildlichen englischen Brief geschrieben; sie schleifen ihn ganz schön da in seinem College.«
»Wer – ach, ich spreche doch nicht von deinem Sohn. Ich meine unsern Kleinen. Franz Albert.«
»Ja, er hat mich zweimal besucht, begleitet von seiner Madame. War er bei dir nicht?«
»Doch. Fast täglich«, antwortete Leore; es war eine glatte Lüge.
»Siehst du, der durfte dich besuchen, und mich wolltest du nicht sehen.«
»Eifersüchtig?« fragte Leore und öffnete fragend den Mund, mit einem kleinen, affektierten Erwartungsausdruck, dessen Wirkung sie im Film erprobt hatte; aber es sah trübselig aus, mit der roten Narbe über den Lippen.
»Natürlich bin ich eifersüchtig. Scheußlich eifersüchtig«, sagte Peter. Wenn er es wirklich gewesen wäre, hätte er es nie und nimmer zugegeben, und das wußte Leore auch.
»Ach Pitt –«, sagte sie leise und verstummte dann. Er wurde plötzlich ernsthaft. ›Du bist arm‹, dachte er! Er hatte Mitleid mit ihr, das tödlichste Gefühl, das einer Frau begegnen kann.
Er schaute sie lange an, prüfend und ein bißchen traurig. Leore
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