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Zwischenfall in Lohwinckel

Titel: Zwischenfall in Lohwinckel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baum Vicki
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leicht.«
    »Nun, es war ja immer klar, daß keiner von uns beiden dem andern mit einer Vitriolflasche an der Ecke auflauern würde, wenn's mal aus ist«, sagte Leore an der Zigarette in ihrem Mundwinkel vorbei und kniff die Augen ein wenig zu wegen des Zigarettenrauchs, der vorüberzog, und wegen der Tränen. ›Es ist ja nicht aus‹, dachte sie, wartete inständig, daß Peter Karbon sagen würde: Es ist ja nicht aus. Aber Peter hatte die beschäftigte Regenwurmtaubheit aller frisch verliebten Männer. Er kehrte zu Leores Gesicht zurück, das in den letzten zehn Minuten kleiner geworden war. »Wirklich, du siehst ausgezeichnet aus«, sagte er höflich. »Du brauchst dir gar keine Gedanken wegen deiner Verletzung zu machen. Die Rötung geht noch weg, sagt der Doktor. Mehr als zehn Mark können wir für den ganzen Schaden bei der Insassenversicherung beim besten Willen nicht herausschlagen.«
    Die Lania lächelte nicht einmal zu dem Scherz, sie wurde gleichfalls höflich. »Wie geht es deinem Wagen?«
    »Danke. Man hat ihn abgeschleppt nach Schaffenburg, angeblich kann er noch geflickt werden.«
    »Na siehst du.«
    »Ich fahre doch nie wieder damit. Ich fahre überhaupt nie mehr Auto. Ich habe mir einen Komplex angeschafft. So was hat mir schon immer gefehlt.«
    »Wie willst du denn da vom Fleck kommen, Mensch?«
    »Mit der Bahn.«
    »Ach«, sagte die Lania schwach verwundert. Jetzt machte ihr Herz sich selbständig; es lag ganz allein und abgegrenzt in ihrer Brust wie ein kleines Tier, das Krämpfe hat. Jetzt war der Augenblick da, wo sie sich völlig von Pitt ablöste, sie hatte ein paar Sekunden blind hingeredet, um sich so weit zu bringen. Man tat alles so lautlos, man rauchte Zigaretten, während ein ›Wir‹ starb und ein ›Ich‹ und ›Du‹ daraus wurden.
    »Wann wirst du abreisen?« fragte sie.
    »Ça dépend«, antwortete Peter Karbon langsam und schaute sie aufmerksam an; er spürte jetzt auch die Trennung und Entscheidung in der kleinen, geräuschlosen Frage. »Soll ich mich nicht nach dir richten?« fragte er schwach.
    »Danke. Sehr nett von dir, Peter. Aber ich erwarte meinen Mann.«
    »Ich denke, ihr seid böse seit der Scheidung?«
    »Ich meine ja nicht Richard. Erich.«
    »Dein erster?«
    »Mein zweiter.«
    »Ja, natürlich. Ich bringe das immer durcheinander.«
    Sie saßen noch ein paar Minuten unschlüssig und leer einander gegenüber. Ein Auto rollte durchs Hoftor.
    »Da wirst du abgeholt«, sagte die Lania und stand auf.
    »Nein, das geht nicht mich an. Ich fahre doch nicht mehr Auto. Ich will zu Fuß gehen.«
    »Soll ich dich ein Stückchen begleiten?«
    »Das wäre sehr nett. Ein Stückchen. Man kommt mir auf der Chaussee entgegen«, sagte Peter Karbon und räusperte sich.
    Leore fand ihn komisch, es erleichterte so innig, ihn ein bißchen komisch finden zu können mit seinem Rappel für diese spinöse Person aus dem Provinznest. »Ich muß eigentlich auch hier bleiben. Franz Albert wird noch herauskommen«, sagte sie, es war eine Lüge von beschämender Billigkeit.
    »Heute abend seh ich dich übrigens noch im Film. Ich gehe ins Kino«, sagte er, schon auf der Treppe.
    »Was spielen sie denn?«
    »,Abenteuer in Monte Carlo. Die ganze Stadt geht hin. Sie sind schon entsetzlich aufgeregt alle.«
    »Zum Schießen. Dieser uralte Mist. Wieso siehst du dir das an?«
    Peter Karbon zuckte die Achseln. Er schaute verstohlen mit einem Hasenblick auf seine Armbanduhr, die seit dem Unfall manchmal ging und manchmal stehenblieb. Elisabeth mußte schon auf dem Waldweg zum Gut sein, ihm entgegen. »Also der Kleine kommt dich jetzt besuchen?« sagte er eilfertig. »Grüß ihn von mir. Morgen sehe ich wieder nach dir, Leore.«
    Die Lania zupfte einen kleinen Faden von seiner Schulter, es war eine der winzigen Bewegungen, in denen eine Frau verrät, daß sie einem Mann zugehört.
    »Adieu, du Ehrenbürger von Lohwinckel«, sagte sie lachend und blieb oben an der Treppe stehen, während er davonging, ohne noch einmal zurückzusehen.
    Während Leore Lania oben in ihr Zimmer zurückkehrte und sich in starrer Haltung auf ihren Bettrand setzte, so, als wenn diese Starre verhindern könne, daß sie den elenden Schmerz spürte, der sie ganz durchdrang, traf Karbon am Treppenfuß auf einen angenehmen Herrn, der ihn begrüßte und den zu kennen er sich dunkel erinnerte. Es war Doktor Ohmann, der Bürgermeister von Lohwinckel, der nach dem Unfall allen Verunglückten einen Höflichkeitsbesuch abgestattet hatte und der

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