Zwischenfall in Lohwinckel
vor einigen Minuten aus besonderen Gründen auf dem Gut eingetroffen war. »Ich habe schon in der Stadt gehört, daß Sie auf dem Gut sind«, sagte er zu Peter Karbon; »ich habe nur eine kurze Unterredung mit Raitzold, wenn Sie noch ein wenig Zeit haben, könnte ich Sie in meinem Auto mit zurücknehmen.«
Peter dankte. Er spürte es geradezu, wie Elisabeth ihm durch den Wald entgegenkam, es zog an ihm, wie seit seiner Jugend nichts ihn gezogen hatte.
Doktor Ohmann klopfte an die Tür zur Diele, die zugleich Herrn von Raitzolds Arbeitsstube war, und trat ein.
»Sie haben mir einen so dringlichen Brief auf dem Rathaus gelassen, daß ich es für das beste hielt, noch rasch zu Ihnen herauszukommen«, sagte er zu dem Gutsbesitzer, der in einer repräsentativen Haltung mitten im Zimmer stand, die Knöchel der rechten Hand auf die Tischplatte gestützt, so daß es aussah, als wenn der Bürgermeister von ihm in Audienz empfangen würde. Allerdings bebte diese aufgestützte Hand unaufhaltsam, der ganze Mann zitterte auf eine verheimlichte und ununterdrückbare Weise. »Das ist – außerordentlich, das ist – es wäre gar nicht notwendig gewesen«, sagte er hustend.
»Ich hatte den Eindruck, daß es dringend und notwendig ist, wenn nicht noch eine Dummheit mehr in der Stadt passieren soll«, entgegnete der Bürgermeister, ein wenig salopp, ein wenig im Dialekt, um den Weg gangbarer zu machen.
»Bitte, nehmen Sie Platz. Eine Zigarre?« sagte Raitzold steif.
»Danke, ich bin Nichtraucher«, erwiderte der Bürgermeister, was die Antipathie des Gutsbesitzers verstärkte.
Herr von Raitzold und Doktor Ohmann standen auf dem Boden gegenseitiger Achtung, aber politischer Gegnerschaft, der Gutsbesitzer war dem Bürgermeister zu reaktionär, der Bürgermeister dem Gutsbesitzer zu fortschrittlich.
»Es tut mir leid, daß Sie mich nicht im Rathaus trafen«, sagte der Bürgermeister mit der Höflichkeit des Mannes in der besseren Position. »Ich war in Schaffenburg drüben. Ich habe etwas Polizei angefordert; unser Städtchen gefällt mir nicht. Seit dieser Kommunist da war, steht Obanger auf dem Kopf. Jetzt bekomme ich sechs Mann herüber. Aber das ist uninteressant für Sie. Es handelt sich bei Ihrer Angelegenheit, wie ich annehme, um das Sonnentreppchen?«
»Wie? Ja – das heißt nein – um das Sonnentreppchen natürlich auch, jawohl. Das ist aber nur ein Teil vom Ganzen. Ich habe geglaubt, der Schlag trifft mich, wie ich heute die Mitteilung erhielt, daß alle vier Hypotheken an diesen Herrn Profet übergegangen sind.«
»Es ist allerdings genau das, was wir immer schon fürchteten, Sie ebenso wie ich. Es ist keine Überraschung, Herr von Raitzold.«
»Es ist eine Überraschung, daß die Kreissparkasse einen solchen Vertrauensbruch begeht. Es war ausdrücklichste Bedingung, immer, unverbrüchlichste Bedingung, daß die Hypotheken nicht an Herrn Profet abgeschoben werden dürfen.«
Das Wort ›abgeschoben‹ verursachte, daß der Bürgermeister mit den Brauen zuckte. Er suchte sich einen Blickpunkt an einem der braunen Stockflecken auf dem alten Jagdstich neben dem Gewehrschrank und wurde noch eine Färbung offizieller.
»Die Kreissparkasse hat die Hypotheken nicht an Herrn Profet ›abgeschoben‹. Sie sind teils an die Wollspinnerei Baerwald, teils an Krüger in Düßwald gegangen, von denen hat Kampers sie abgelöst, und erst durch Kampers hat Profet den ganzen Komplex in die Hand bekommen.«
»Daß alle diese Baerwalds und Krügers und Kampers nur Strohmänner waren, ist den Herren von der Sparkasse doch klar gewesen. Das ist Ihnen doch klar gewesen, Herr Ohmann, wie?«
»Für die Sparkasse war die Beibehaltung Ihrer Hypotheken nicht mehr tragbar. Wir können eine Verpflichtung nicht anerkennen, die uns bindet, Detektive hinter den Leuten herzuschicken, um zu sehen, ob es Strohmänner sind, die uns so flaue Werte abnehmen wie Ihre Hypotheken, Herr von Raitzold. Man hat Ihnen Zinsen gestundet, man hat Ihnen Steuern gestundet, sie lassen das Gut verfallen, Sie holzen aus, es ist ja alles über Wert belastet.«
Der Gutsbesitzer sprang auf, er hatte weiße Hände und eine bläuliche Stirne bekommen. »Ich lasse verfallen, Herrgott, ich lasse verfallen – als wenn es in meiner Macht stünde, als wenn ich Ernten herzaubern könnte!« rief er aus. »Lassen Sie doch diesen Herrn Profet auf das Gut, diesen Hufschmied oder was er war, lassen Sie ihn doch zeigen, was er herauswirtschaftet, das ist ja nicht zu halten,
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