Zwischenstation Gegenwart (German Edition)
Gasse. Ich habe gesehen, wie du jemanden umbringst, aber ich habe nicht gesehen, wie du mich danach in den Arm genommen hast. Du weißt, worauf ich hinaus will?«
»Nicht wirklich«, erwiderte er mit gerunzelter Stirn.
»Ich hatte schon eine ganze Menge Erinnerungen, aber es war keine darunter, die dich irgendwie positiv darstellt. Ich erinnere mich, wie du einen anderen Mann tätlich angreifst, wie ich vermutlich wegen dir weine. Ich sehe dich mit einer anderen Frau und wie du ihre Hand küsst, dann sehe ich dich, wie du mich finster anschaust, weil ich mit einem anderen Mann tanze, und wie du jemanden umbringst. Aber ich habe kein einziges Mal gesehen, wie wir zusammen Spaß haben, gemeinsam lachen, und ich habe uns kein einziges Mal im Bett gesehen.«
»Und es war keine Szene dabei, die irgendwie positiv war?« Nun war es an mir, mit dem Kopf zu schütteln.
»Mir ist da eine Idee gekommen, aber ich weiß nicht, ob es überhaupt funktioniert. Weißt du, ob man den Erinnerungsradierer programmieren kann?« Irgendwann in der Nacht war mir der Gedanke gekommen und ließ mich seitdem nicht mehr los.
»Worauf willst du hinaus?«
»Stell dir vor, man hätte das Gerät so programmiert, dass sich irgendetwas in mir gegen dich sperrt und ich deshalb nichts mehr mit dir zu tun haben wollte. Du musst wissen, dass ich mich von Anfang an zu dir hingezogen gefühlt habe. Aber immer wieder kam etwas in mir hoch, so dass ich am liebsten schreiend in die andere Richtung laufen wollte. Hinzu kommen die ganzen Szenen, in denen du dich unmöglich aufführst, und die Tatsache, dass es ein Geheimnis gibt, haben mich dich auf Distanz halten lassen. Immer, wenn ich glaubte, dass ich dir eine zweite Chance geben sollte, kämpfte sich etwas in mir hoch und ich habe meinen Entschluss umgedreht. Wenn du nicht so hartnäckig und geduldig gewesen wärst, wären wir nicht wieder zusammen. Glaubst du, dass man das Gerät derart programmieren kann und das der Grund für meine Zurückhaltung ist?« Phil schwieg einen Augenblick und dachte über das Gesagte nach, bevor er schließlich zögerlich antwortete:
»Daran könnte was Wahres sein, aber Genaueres kann dir nur Richard sagen. Er ist ein absolutes Genie auf diesem Gebiet. Du meins t also, dass du die ganze Zeit über in mich verliebt warst, aber sich etwas in dir dagegen gesperrt hat? Aber warum? Meinst du nicht, dass es ausreichend ist, dir das Gedächtnis zu nehmen?«
»Ich weiß es nicht, mir ist es auch erst bewusst geworden, als du mir gesagt hast, dass du mich damals in der Gasse in den Arm genommen hast. Warum habe ich nur die halbe Szene gesehen? Was ist zum Beispiel passiert, als ich weinend vor dir stand? Wie ging es da weiter?« Bei der Erinnerung daran stahl sich ein Lächeln auf Phils Lippen.
»Ich habe dich zum ersten Mal geküsst. Es war nur zur Tarnung, aber dieser Kuss war der absolute Wahnsinn und ich war kurz davor, den Verstand zu verlieren.« Ich beneidete ihn um die Erinnerung an unseren ersten Kuss und hoffte, dass ich irgendwann auch einmal wissen würde, wie es gewesen war. Der Kuss in der Gondel war sicherlich nicht von schlechten Eltern gewesen, aber er war im Grunde genommen nicht unser erster Kuss, sondern nur meiner.
»Du siehst, meine Theorie ist gar nicht mal so verkehrt, wenn ich nur wüsste, warum!« Das war das Einzige, was mir einfach nicht in den Sinn wollte. Wem war damit geholfen, dass ich keine Gefühle mehr für Phil hatte? Und warum war es doch schiefgegangen? Ich konnte es nicht mehr verleugnen, dass ich in ihn verliebt war. Nein, das war falsch. Ich liebte ihn! Mit einer Leidenschaft und Heftigkeit, wie es mir nie zuvor untergekommen war.
»Ich denke mir, dass Richard uns einiges erklären kann. Wenn es dir recht ist, würde ich ihn nachher anrufen und wir fahren noch heute Abend zu ihm.«
»Er scheint momentan meine einzige Hoffnung zu sein. Wenn er uns sehen möchte, dann sollten wir wirklich heute noch zu ihm.« Vielleicht hatte er Antworten auf meine vielen Fragen.
»Glaub mir, er wird uns sehen wollen!«, sagte Phil mit Nachdruck. Ich war mir da nicht so sicher. Er war ein vielbeschäftigter Mann, warum sollte er ausgerechnet für uns Zeit haben? Ich ließ mir jedoch meine Zweifel nicht anmerken. Stattdessen kuschelte ich mich in Phils Arme und er begann, mir mehr von sich und seinen früheren Zeit reisen zu erzählen. So erfuhr ich, dass er den geheimen Raum in Hampton Court von einem Aufenthalt am Hofe Heinrich des Achten her
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