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Zwischenstation Gegenwart (German Edition)

Zwischenstation Gegenwart (German Edition)

Titel: Zwischenstation Gegenwart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Neumann
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kannte.
     
    Es war unser letzter Tag in London, und auch wenn ich die Stadt liebte, war ich dankbar dafür, dass wir heimreisten. Wie im Nebel bekam ich den Vormittag mit, den wir mit Besichtigungen von diversen Museen verbrachten, bevor wir endlich unseren Zug bestiegen, der uns nach Stansted brachte. Ich freute mich darauf, nach Hause zu fliegen. Trotzdem viele wunderschöne Sachen auf der Reise geschehen waren, waren auch Dinge passiert, auf die ich Antworten brauchte. Antworten, die ich nur in der Heimat bekäme.
    Wie besprochen, hatte Phil vorab mit seinem Onkel telefoniert und ihm kurz die Sachlage erklärt. An der lauten Stimme, die durch das Telefon zu mir durchdrang , und an Phils hitzigen Worten erkannte ich, dass ihm unser Ausflug vom Vortag gar nicht schmeckte. Es wurde ein langes Gespräch, welches Phil mit einem Seufzer beendete.
    »Wie gut, dass ich ihn nicht vor unserer Zeitreise angerufen habe. Vermutlich wäre er ansonsten auf direktem Weg zum Flugplatz gefahren und wäre mit dem Firmenjet höchstpersönlich angereist. Er ist wirklich der beste Elternersatz, den man sich vorstellen kann, aber als Chef kann er einem manchmal ganz schön auf die Nerven gehen. Er war nicht begeistert davon, was wir getan haben, aber er versteht dich. Er ist nur froh, dass es dir den Umständen entsprechend gut geht. Er meinte, er hätte keine Lust darauf gehabt, mich schon wieder als Häufchen Elend zu erleben. Ich habe keinen blassen Schimmer, was er damit gemeint haben könnte!«, spottete er über sich selbst und entlockte mir damit ein Lächeln.
     
    In Hahn gelandet, verabschiedeten wir uns von den Schülern und fuhren mit Phils Wagen zu seinem Onkel. Ich hatte Marie eine Nachricht zukommen lassen, dass ich eine Heimfahrtgelegenheit gefunden hatte und sie mich nicht mehr abholen musste. Unsere Fahrt verlief relativ schweigsam; zu sehr war ich mit den Geschehnissen des Vortags beschäftigt und auch Phil hing seinen Gedanken nach. Ich schreckte aus meinen Überlegungen auf, als das Auto vor einer riesigen Jugendstilvilla anhielt.
    »Richard freut sich darauf, dich wiederzusehen«, versicherte er mir, als wir uns in Richtung Eingang bewegten. Ich sah dem Ganzen mit gemischten Gefühlen entgegen, ich wusste nicht, was mich erwartete. Er war nicht nur der Onkel meines Freunds, er war streng genommen auch mein Chef. Als wäre das nicht genug, war er auch noch einer der reichsten Männer des Landes . Wie sollte ich da unbeeindruckt bleiben? Da brachte es mir herzlich wenig, dass Phil mir versicherte, dass ich ein sehr gutes Verhältnis zu ihm gehabt hatte. Ich hatte bekanntermaßen keinerlei Erinnerung daran.
    Hand in Hand liefen Phil und ich die Stufen zum Eingang empor, klingelten und warteten, dass uns jemand einließ. Doch statt des älteren Mannes, den ich erwartet hatte, wurde die Tür von einer molligen Endfünfzigerin in einem schicken schwarzen Kostüm geöffnet. Beim Anblick von Phil verwandelte sich ihr bisher gleichgültiges Gesicht und freudestrahlend blickte sie ihn an.
    »Phil, mein Junge, wie schön, dass du dich mal wieder hier blicken lässt. Und was sehen meine armen, alten Augen? Eine Frau an deiner Seite? Dass ich das noch erleben darf, kommen Sie rein, mein Kind. Dein Onkel ist in der Bibliothek, er hätte mir ruhig sagen können, dass du kommst, dann hätte ich doch etwas für euch vorbereitet. Immer das Gleiche mit diesem Mann«, plapperte sie drauf los. Ohne Punkt und Komma redete sie auf uns ein.
    »Marianne, reg dich nicht auf, wir sind nicht zum Essen hier! Darf ich dir vorstellen, das ist Laura Simon. Laura, das ist Marianne Grubner, die gute Seele des Hauses. Sie hat mich als Teenager schrecklich verwöhnt und mir jeden Wunsch erfüllt«, stellte Phil uns einander vor. Bevor ich jedoch die Hand ausstrecken konnte, um Frau Grubner zu begrüßen, hatte sie mich in ihre Arme gezogen und mich an ihren mütterlichen Busen gedrückt. So hatte ich mir den Empfang im Hause von Phils Onkel gewiss nicht vorgestellt. Ich hatte mit Dolchen und bösen Blicken gerechnet, aber das war fast, als wäre ich nach langen Jahren nach Hause gekommen und man hatte sehnsüchtig auf mich gewartet.
    »Wie schön , Sie kennenzulernen, passen Sie ja auf den Jungen auf und machen ihn glücklich. Er hat alles Glück der Welt verdient«, hörte ich sie sagen, während ich noch fieberhaft überlegte, ob ich durch diese Lage möglicherweise mit zu wenig Sauerstoff versorgt werden würde. Und wenn ja, was die Folgen

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