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Zwischenstation Gegenwart (German Edition)

Zwischenstation Gegenwart (German Edition)

Titel: Zwischenstation Gegenwart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Neumann
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wie ich die Sache mit Phils und meinem Streit verpacken konnte, ohne dass sie mich für verrückt hielt.
    »Wegen dir werde ich zwar morgen ein schrecklich schlechtes Gewissen haben, aber ich bin in zwanzig Minuten bei dir«, antwortete ich.
    »Super, ich freue mich, bis gleich!« Schon hatte sie aufgelegt.
    Gerade in dem Moment, in dem ich das Haus verlassen wollte, klingelte es an meiner Haustür. Wer konnte das sein? Mit Marie war ich verabredet, Phil hätte sich vermutlich vorher gemeldet . Das konnte nur eines heißen, der Paketdienst wollte mal wieder was für die Nachbarn abgeben. Seitdem Paketdienste bis in die Abendstunden ihre Fracht auslieferten, hatte ich schon etliche Pakete für meine bestellsüchtigen Nachbarn entgegennehmen müssen. Wenn die Beckers wenigstens nette Leute gewesen wären, wäre das alles auch kein Problem gewesen, aber sie waren derartige Kotzbrocken, dass ich mehrfach versucht gewesen war, einfach so zu tun, als sei ich nicht zu Hause. Das ging aber in diesem Moment überhaupt nicht, denn ich musste los, und zwar schnell, wenn ich nicht wollte, dass Marie länger als nötig wartete. Vorsichtig lugte ich durch den Türspion und wurde in meiner Annahme bestätigt: Ein in dicker Winterkleidung verpackter Paketbote stand mit einem Ungetüm von Paket vor der Tür. Leicht genervt öffnete ich die Tür und fragte:
    »Für Becker?«
     
    Im nächsten Moment schien etwas in meinem Kopf zu explodieren und ein stechender Schmerz durchfuhr mich. Für einen kurzen Augenblick schloss ich die Augen, da alles vor mir zu verschwimmen drohte. War das ein plötzlicher Anfall von Migräne? Der Paketbote merkte, dass etwas nicht mit mir stimmte, und fragte besorgt nach meinem Wohlergehen. Ich versicherte ihm, das s alles in Ordnung sei, nahm das Paket entgegen und schloss schleunigst die Tür.
    Noch immer pochte und hämmerte es in meinem Kopf. Ganz langsam nahm ich meine Umgebung wieder wahr und ich konnte wieder einen klaren Gedanken fassen. Der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss, war der, dass Phil gelogen hatte: Raleigh hatte sogar besser als Clive Owen ausgesehen und es war Raleigh gewesen, mit dem ich getanzt und den Phil bedroht hatte. Wie bitte? Ich konnte mich wieder an Walter erinnern? Noch während ich darüber nachdachte, kamen alle anderen Erinnerungen zurück und erneut musste ich die Augen schließen, da die Bilderflut mich zu überwältigen drohte. Gleich einem Film zogen die Bilder im Eiltempo an meinem inneren Auge vorbei. London, der Hof, Shakespeare, Raleigh und Phil tauchten in meinem privaten Schnelldurchlauf auf. Endlich sah ich auch das, was ich die ganze Zeit über vermisst hatte: Szenen, in denen wir miteinander lachten, scherzten und uns liebten. Die Krönung des Ganzen war seine Liebeserklärung an mich, die schöner nicht hätte sein können. Tränen des Glücks liefen über mein Gesicht. Ich hatte mein Leben zurück!
    Meine Gedanken wanderten sofort zu Phil. Ein Teil in mir wünschte sich nichts sehnlicher, als ihm sofort mitzuteilen, dass ich mich an alles erinnern konnte, doch dann fiel mir ein, dass er geglaubt hatte, mein Leben bestimmen zu können. Ich liebte ihn über alles, aber wenn er anfing, sich in mein Leben einzumischen und zu glauben, er wüsste, was gut für mich war, dann musste ich ihm seine Grenzen aufzeigen. Es lag nicht in seiner Verantwortung , mein Leben zu bestimmen, ich war bisher auch ganz gut ohne seine Einmischung zurechtgekommen und würde es auch weiterhin tun. Das war mein Leben und ich wollte darüber bestimmen, was ich tat und was nicht. Ich hatte mir lediglich vorgenommen, es noch einmal mit den Zeitreisen zu versuchen, und das war in meinen Augen nichts Drastisches gewesen. Ich war es nicht gewohnt, dass mir jemand vorschrieb, was ich zu tun hatte. Ja, wir waren zusammen, aber das bedeutete doch nicht, dass ich meine Selbstbestimmung aufgab, und das musste Phil lernen. Selbstverständlich würde ich ihm sagen, dass alles wieder in Ordnung war, aber nicht jetzt und nicht heute, dafür war ich einfach zu wütend auf ihn und seine Einmischung. Ich hatte Schuldgefühle bei der Entscheidung, es ihm erst morgen zu sagen, aber mein Ärger über ihn überwog. Stattdessen verließ ich eilig meine Wohnung, damit Marie nicht noch länger warten musste. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich längst am Treffpunkt hätte sein sollen.
     
    Die Menschen, die mich im Auto auf dem Weg in die Innenstadt sahen, hielten mich bestimmt für eine

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