Zwischenstation Gegenwart (German Edition)
vielleicht doch nicht total verrückt? Konnte es eine logische Erklärung dafür geben? Vergessen war die Idee, dass ich ihm erst morgen unter die Augen treten wollte. Stattdessen tippte ich eine SMS mit den Worten:
»Wir müssen dringend reden.« Und bevor ich es mir wieder anders überlegen konnte, hatte ich sie abgesendet. Ich hatte die Nachricht kaum abgeschickt, da vibrierte mein Telefon schon und seine knappe Antwort »Wann?« stand auf dem Display. Mit seiner prompten Reaktion hatte ich nicht gerechnet und für einen Augenblick war ich kurz davor , ihm zu schreiben, dass ich ihn versehentlich angeschrieben hatte und jemand anderes der eigentliche Empfänger war. Aber dann hätte ich keine Antworten auf meine Fragen bekommen und die waren mir im Moment wichtiger als alles andere. Vergessen war meine peinliche Aktion von gestern.
»So schnell es geht«, tippte ich als Antwort. Wieder brummte mein Telefon und seine Antwort war da.
»Ich bin in zehn Minuten bei dir!« Panik überkam mich, das war nicht sein Ernst. Wir hatten zehn Uhr abends und er wollte noch bei mir vorbeikommen? Ich saß auf meiner Couch und hatte Jogginghose und Fleecepulli an. Meine Haare waren zu einem wilden Knoten gebunden und abgeschminkt war ich auch schon. Und er wollte mich besuchen! Selbst wenn ich nicht gewillt war, ihn zu verführen, wollte ich ihm nicht so unter die Augen treten. Ich raste ins Schlafzimmer, zog in Windeseile Jeans und Pulli an, versuchte Ordnung in meine Haare zu bringen und legte noch etwas Wimperntusche auf. Und weil es nicht schaden konnte, putzte ich mir die Zähne. Ich war gerade fertig und überlegte, ob ich mir nicht doch etwas Schickeres anziehen sollte, da klingelte es bereits an der Tür.
»Was gibt es so Dringendes?«, fragte Phil, als er eintrat. Er sah müde und erschöpft aus, mit tiefen Ringen unter seinen Augen. Zu gerne hätte ich gewusst, was der Grund dafür war. Er hatte am Vorabend dem Alkohol nicht so sehr zugesprochen wie ich und doch sah er so aus, als hätte er mit den Nachwehen des Katers zu kämpfen und nicht ich. Ich führte ihn ins Wohnzimmer und bat ihn, auf der Couch Platz zu nehmen. Ich nahm das Wasserglas, das auf dem Couchtisch stand, und nahm einen großen Schluck. Phil betrachtete mich mit hochgezogener Augenbraue.
»Du willst wohl heute auf Nummer sicher gehen, oder?« Zuerst verstand ich nicht, worauf er hinauswollte, doch dann fiel der Groschen und ich wurde rot, als ich an die Geschehnisse des Vorabends dachte.
»Äh, nein. Magst du auch ein Glas?« Er nickte und ich schenkte ihm schnell ein. Statt jedoch zu trinken, sah er mich erwartungsvoll an.
»Also, worüber willst du mit mir sprechen?« Ich nahm das Bild und hielt es ihm vor die Nase.
»Was hat es hiermit auf sich? Wann wurde das aufgenommen? Und warum trage ich dieses Kostüm?« Er nahm mir das Bild aus der Hand und betrachtete es kurz, bevor er wieder zu mir sah. Für einen Augenblick runzelte er die Stirn, aber dann antwortete er völlig ruhig:
»Halloween. Wir waren auf einer Halloweenparty eingeladen und das Motto verlangte nach historischen Kostümen.« Oh Mann, da hätte ich doch wirklich von alleine drauf kommen können. Wieso war ich nicht auf das Naheliegendste gekommen? Wahrscheinlich waren auch die ganzen merkwürdigen Erinnerungen mit diesem Abend verknüpft. Nix mit Seelenwanderung und dem ganzen anderen esoterischen Blödsinn, den ich kurzzeitig ernsthaft in Betracht gezogen hatte. Ich ließ mich neben Phil auf der Couch nieder.
»Weißt du, wie glücklich mich das macht? Ich war schon kurz davor, an meinem Verstand zu zweifeln.«
»Wieso das denn?« Sein Gesichtsausdruck machte deutlich, dass er mir nicht folgen konnte.
»Ich hatte mehrfach Bilder vor Augen, in denen du in Pumphosen und Wams aufgetaucht bist. Ich war kurz davor , zu glauben, dass ich komplett wahnsinnig werde. Nicht nur Gedächtnisverlust, sondern auch Wahnvorstellungen. Und jetzt war es nur eine Halloweenparty, warum bin ich nicht gleich darauf gekommen? Seit meinem Unfall bin ich nicht unbedingt mehr die, die ich vorher mal war. Ich tue Sachen, die ich sonst nie tun würde, und ich kann mir mein Handeln nicht immer erklären.«
»Du hast WAS gesehen?«, fragte Phil aufgeregt. Mit dieser heftigen Reaktion hatte ich nicht gerechnet, aber glücklich, dass ich endlich mit jemandem darüber reden konnte, begann ich:
»An dem Abend muss eine Menge passiert sein. Ich habe dich mit einer anderen Frau gesehen, sie trug auch
Weitere Kostenlose Bücher