Zwischenstation Gegenwart (German Edition)
und du eine Pause brauchtest. Ich wollte dich nicht weiter unter Druck setzen und habe darauf gehofft, dass du von alleine auf mich zukommen wirst, wenn du bereit sein solltest. Außerdem wollte ich die Aufmerksamkeit von dir ablenken, wer weiß, wie die Hyänen in der Schule über dich hergefallen wären, wenn sie mitbekommen hätten, dass ich dir den Hof mache.« Bei seinen Worten fühlte ich mich wie in einer anderen Zeit, sein Ausdruck klang auf merkwürdige Art und Weise sehr romantisch.
» Aber weißt du, was ich nicht verstehe? Wenn wir ein Paar waren, wieso sind keine Sachen von dir in meiner Wohnung? Außer einer zweiten Zahnbürste habe ich hier nichts gefunden, was auf dich hinweist«, wechselte ich unvermittelt das Thema. Der Boden, auf dem wir uns bewegten, war mir trotz meiner Aussage zu dünn. Sollte ihn mein Themenwechsel stören, so ließ er es sich durch nichts anmerken, sondern ging ohne mit der Wimper zu zucken darauf ein.
»So lange sind wir noch nicht zusammen gewesen und außerdem waren wir nicht immer nur bei dir.« Stimmt, wir konnten erst zusammengekommen sein, nachdem ich mich von Sven getrennt hatte.
»Der Punkt geht an dich. Habe ich wegen dir mit Sven Schluss gemacht?« Ich hatte Sven zwar nicht betrogen, aber vielleicht war Phil der Auslöser für das Ende meiner Beziehung gewesen.
»Jein, es hat ihn tierisch gestört, dass wir ab und an Zeit miteinander verbracht haben. Und als er mal wieder einen Eifersuchtsanfall bekam, hast du die Geschichte beendet. Es hat jedoch noch einige Wochen gedauert, bis wir zusammenkamen.« Das klang plausibel, doch irgendetwas störte mich an seiner Geschichte. Ich kam nur nicht darauf, was es war, beschloss aber , der Sache momentan nicht weiter nachzugehen, denn ein anderer Gedanke schoss mir plötzlich durch den Kopf.
»Sag mal, weißt du, was es hiermit auf sich hat?« Ich stand auf, ging zu meinem Bücherregal, nahm einige meiner merkwürdigen neuen Bücher in die Hand und zeigte sie ihm. Klar war ich Geschichtslehrerin und las auch ab und an mal Fachbücher, aber alleine die Menge verwunderte mich sehr. Aufmerksam studierte er die Titel und es dauerte einen Moment , bis er mir antwortete:
»Ich habe nicht den blassesten Schimmer, tut mir leid.«
»Schade, ich dachte, dass du mein Schlüssel dazu wärst. Ich komme mir derzeit vor wie beim Lösen des Zauberwürfels: Immer dann, wenn ich glaube, dass ich ihn gelöst habe, kommt die Stelle, an der ich feststelle, dass die Farben doch nicht zusammenpassen. Und du bist mir leider keine große Hilfe dabei. Du hast mir immer noch nicht gesagt, was auf dieser Halloweenparty alles geschehen ist.« Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu, in der Hoffnung, dass ihm das Angst einjagte. Weit gefehlt, stattdessen bedachte er mich mit einem Blick, der mich ganz schwach in den Knien werden ließ. Wie gut, dass ich saß, sonst hätten meine Beine unter mir nachgegeben.
»Glaubst du nicht, dass es besser ist, wenn du von alleine auf alles kommst? Ich bin fest davon überzeugt, dass dir eines Tages alles wieder einfallen wird. Aber um dich zu beruhigen, es hat sich ähnlich , wie du es vermutest, abgespielt«, wand er sich aalglatt heraus. Und ich hatte geglaubt, dass ich ihn mit meiner Bemerkung herausgefordert hatte, aber hier spielte er den Phil Berger, den er auch den Kollegen gegenüber gab: höflich und unverbindlich. Ich wusste, dass ich mit weiteren Fragen auf Granit stoßen würde. Ich schenkte ihm einen bösen Blick, der ihn aber keineswegs beeindruckte.
»Es sind Momente wie dieser, in denen ich mich frage, warum ich dir überhaupt eine zweite Chance geben will. Irgendwie bin ich richtig froh, dass ich nächste Woche auf Klassenfahrt gehen muss. Wer weiß, ob mir der Ortswechsel nicht gut tun wird. So etwas soll ja schon einige Wunder bewirkt haben«, ging ich fast ebenso unverbindlich wie er darauf ein. Das Spiel konnte genauso gut von beiden gespielt werden.
»Ich wusste gar nicht, dass du weg sein wirst. Wo geht die Klassenfahrt hin?«
»Nach London.« Schon in dem Moment, in dem ich es aussprach, erinnerte ich mich daran, dass er gesagt hatte, dass er in London die glücklichste Zeit seines Lebens verbracht hatte. Was hatte er damals gemeint?
»Als du bei meinen Eltern warst, hast du gesagt, dass du eine besondere Zeit in London erlebt hast. Warst du lange dort?« Für einen Augenblick hielt ich den Atem an. Was, wenn er mir von irgendeiner anderen Frau erzählte, mit der er in England das
Weitere Kostenlose Bücher