Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwischenwelten (German Edition)

Zwischenwelten (German Edition)

Titel: Zwischenwelten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariëtte Aerts
Vom Netzwerk:
fragt das Mädchen.
    »Wenn du hier die ganze Zeit bei dieser dämlichen Show rumhängst.«
    Die Augenbrauen des Mädchens kriechen hoch bis unter die Spitzen ihrer dunkelbraunen Haare, die ihr in die Stirn fallen.
    »Du willst mir doch nicht erzählen, dass du das schön findest.« Tio schnaubt.
    Das Mädchen zuckt mit den Schultern. »Ich find es lustig, grad weil es so schlecht ist«, gibt sie dann zögernd zu und schaut Tio entschuldigend an. »Darüber muss ich lachen. Ihr solltet es noch alberner machen, dann kugeln sich alle vor Lachen.«
    Tio grinst. »Lass das bloß nicht meinen Vater hören!« Er macht eine ausholende Bewegung. »Das hier ist seine Vorstellung von einer völlig ernst gemeinten Zaubervorstellung.«
    Das Mädchen lacht laut auf. Dann sieht sie Tio verlegen an. »Äh … ich heiß Ayse. Und du?«
    »Tio. Und mit den Bemerkungen, das macht nichts. Ich find es auch eine dumme Show.« Er verzieht das Gesicht. »Hast du auch Sommerferien?«
    Ayse nickt.
    »Wenn keine Ferien sind, wohne ich bei meiner Mutter«, sagt Tio.
    »Sind deine Eltern geschieden?«, will Ayse wissen.
    Tio nickt. »Mein Vater hat sie mit seiner grottenschlechten Vorstellung vergrault. Von mir aus könnten die Ferien gerne schon vorbei sein, aber leider haben sie gerade erst angefangen. Die gehen noch bis Ende August. Deine auch?«
    »Nein, bis Mitte August. Aber du bist wahrscheinlich schon in der Oberschule?«
    »Ja, in der zweiten Klasse. Ich bin dreizehn, fast vierzehn.«
    »Ich bin erst in der sechsten Klasse Grundschule.« Ayse seufzt. Und dann fügt sie schnell hinzu: »Aber ich bin keinmal sitzen geblieben, auch wenn ich schon zwölf bin! Ich bin auch nicht dumm oder so, überhaupt nicht! Wir hatten Probleme zu Hause. Mein Bruder war schwierig, meine Mutter hat zu viel gearbeitet, und mein Vater war in der Türkei, und außerdem bin ich lange krank gewesen und …«
    Tio rückt etwas von ihr ab und hebt die Hände. »Ich hab doch gar nichts gesagt!«
    »Nein … na ja.« Ayse zupft ein Fädchen von ihrer Jeans. »Ich hasse es, wenn die Leute immer gleich denken, man wäre dumm.«
    Einen Moment lang schweigen beide.
    »Ihr braucht einen Türsteher«, sagt Ayse dann. »Ich bin hier drei Vorstellungen hintereinander sitzen geblieben, ohne zu bezahlen, und es hat niemand was gesagt.«
    »Also ehrlich, eigentlich hält das kein Mensch drei Vorstellungen lang aus! Ich glaub nicht, dass wir schon mal einen Türsteher gebraucht hätten. Wieso, suchst du einen Ferienjob?«
    »Ich hab noch nichts, höchstens mal Reklame austragen. Bisschen Geld wäre schon schön. Alle meine Freundinnen sind in den Ferien, und ich langweile mich total.«
    Tio winkt ab. »Ich fürchte, dass es bei uns nichts zu verdienen gibt. Mein Vater hat doch keinen Cent übrig.« Er steht auf. »Hast du Lust, eine Runde über den Platz zu drehen? Ich werd erst wieder um halb acht gebraucht. Am Sonntagabend geben wir immer noch zwei Vorstellungen zusätzlich, aber da kommt doch kein Mensch mehr zugucken. Das Wochenende ist rum und die Leute sind müde. Die hängen auf dem Sofa vorm Fernseher und gucken Fußball.« Er zieht einen schwarzen Vorhang zurück und ruft: »Flip, ich bin mal kurz weg und dreh eine Runde.«
    Er bekommt sogar eine Antwort. »Oh, bringst du was zu essen für mich mit? Ich versuche noch, die Strahler anders zu hängen, und ich glaub nicht, dass ich mir danach noch was koche.«
    Tio geht vor Ayse aus dem Zelt. Draußen kneift er wegen der hellen Sonne, die er den ganzen Nachmittag kaum gesehen hat, die Augen zusammen. »Nach links?«
    »Wie du willst. Du kennst den Weg.«
    »Eigentlich nicht. Überall, wo wir hinkommen, kriegen wir einen anderen Platz, und hier sind wir erst seit gestern.«
    Ayse steckt die Hände in die Hosentaschen und schlendert hinter Tio her. »Ich find das eine komische Kirmes.«
    »Es ist auch eigentlich keine Kirmes. Sie haben versucht, was ganz Besonderes zu machen, und sich ›Die älteste Wanderbühne, die es gibt!‹ genannt. Was sie aber nicht sagen, ist, dass sie einfach ein Haufen von Schwachsinnigen sind, der mit ›Dem ältesten noch halbwegs funktionierenden Chaos‹ durch die Gegend reist.«
    Ayse lacht wieder laut auf. Sie scheint das einfach lustig zu finden.
    Tio führt sie über den Platz und stellt ihr die Menschen vor, die er schon jahrelang kennt. »Hier wohnt Irfan.« Er zieht eine Zeltplane hoch. »Er kann auf Nagelbrettern liegen und Messer schlucken.«
    »Ich hab gar nicht gewusst, dass es

Weitere Kostenlose Bücher