Zwischenwelten (German Edition)
so was noch gibt. Ist das nicht ein bisschen altmodisch, so eine Show?«
»Sag ich doch«, schnauft Tio. »Ein altes Chaos.« Er geht in das Zelt hinein. »Hallo, Irf!«
Ein junger Mann mit hellbrauner Haut, die Augen noch dunkler geschminkt, als sie es von Natur aus schon sind, schaut unwillig auf. »He, Tio, hattet ihr auch so einen miesen Nachmittag? Verdammt, heute kommt kein Mensch.«
»Ach, ja?«, gibt sich Tio verwundert und wirft einen Blick auf das Mädchen neben sich. »Unser Publikum ist drei Vorstellungen hintereinander sitzen geblieben!«
»Das ist doch nicht dein Ernst!«
»Nein«, gibt Tio zu. »Nicht ganz. Es war nur eine.« Er zeigt auf Ayse. »Die hier.«
»Hallo.« Ayse nickt ihm zu.
»Ich zeig ihr alles«, erklärt Tio. »Komm, Irfan, setz dich doch mal schnell für sie auf die Nägel.«
»Jetzt nicht, Tio«, brummt der junge Mann und schüttelt den Kopf. »Ich bin dabei, mir was Besonderes für heute Abend auszudenken.«
Tio seufzt. »Gut, dann gehen wir mal. Viel Erfolg.«
Als sie wieder draußen sind, schaut Tio sich um. Was gab es noch Schönes, das er Ayse zeigen könnte? Vielleicht Momo, den Clown? Oder wäre sie, ein Mädchen von zwölf Jahren, beleidigt, wenn ihr ein Clown witzige Hunde aus Ballons knicken und drehen würde? Fände sie es interessant, die gelenkige Nadya zu treffen, die sich beinahe selbst verknoten konnte? Vielleicht wollte sie sich lieber von der alten Seraphina aus der Hand lesen lassen oder beim Stand vom kleinen Fabian Zuckerwatte oder beim großen Fabian Pommes essen? Das Pferdchenkarussell war abgeschlossen. Das Ding war nur für Kinder unter sechs Jahren, denn es fiel beinahe schon von selbst auseinander, auch ohne dass jemand darauf saß. Und das Kettenkarussell hatte so kleine Sitze, dass nur Hintern reinpassten, die höchstens drei Jahre alt waren.
Sie gehen an einem kleinen Trödelstand vorbei, wo lauter hübsche Sachen ausgelegt sind. Armbänder aus Metall und bemaltem Holz, Ketten aus Glasperlen, bunte gewebte Tücher. Alles für wenig Geld zu kaufen. Tio schaut aus den Augenwinkeln hin. Der Mann, dem der Stand gehört, kommt ihm nicht bekannt vor. Er kann sich nicht erinnern, ihn schon früher einmal gesehen zu haben. Aber das heißt nichts, es schließen sich immer wieder neue Leute der Wanderbühne an. Nein. Bei näherem Hinschauen ist sich Tio ganz sicher, dass er diesen Typ noch nie gesehen hat. Es ist ein großer schwarzer Mann mit breiten Schultern und starken Muskeln. Er hat ein paar bunte Decken auf den Boden gelegt und im Schneidersitz darauf Platz genommen. Um ihn herum sind seine Waren ausgebreitet. Alles sieht sehr exotisch aus, genau wie der Mann selbst. Seine Kleidung ist locker und bunt, und auf dem Kopf trägt er eine lustige rote Mütze. Goldene Ketten mit glitzernden Steinen hängen ihm über die Brust. Als Tio bei seinen Sachen stehen bleibt, blickt er auf. Obwohl der Mann im Schatten sitzt, hat er eine Sonnenbrille auf der Nase. Eine ziemlich coole Brille, knallblau und verspiegelt. Hinter den reflektierenden Gläsern kann Tio die Augen des Mannes nicht erkennen.
»Hallo«, sagt er und hebt die Hand, »ich bin Tio von Filippos Zaubernummern.« Er zeigt auf das Zelt weiter vorn.
»Ah ja.« Der Mann nickt und streckt den Daumen in die Luft. »Babatunde.«
Es dauert ein paar Sekunden, bis es Tio dämmert, dass der Mann sich ihm vorgestellt hat. »Oh … so heißt du!«, kapiert er und muss über seine lange Leitung grinsen. »Baba… Batbatu…«
»Babatunde«, wiederholt der Mann und nickt noch einmal.
»Ich hab kurz gedacht, das wäre eine afrikanische Begrüßung oder so.«
Babatunde lächelt. »Sag einfach Buba.« Er beugt sich vor, und Tio sieht, dass er etwas in der Hand hat. Es kommt ihm vor wie ein Knäuel aus bunten Fäden, aber dann hört er Ayse neben sich sagen: »Knüpfst du die selbst? Gib mal, die kann ich auch machen, aber nicht so komplizierte Muster.«
»Was ist das denn?«, fragt Tio.
»Freundschaftsbänder«, antwortet Ayse. Sie zieht den Ärmel ihres Pullovers hoch und zeigt ihm ein buntes Armband. »Ich hab gedacht, dass die aus Südamerika kommen, von den Indianern oder so.« Sie schaut den schwarzen Mann fragend an.
Buba zuckt mit den Schultern und steht auf. »Sie verkaufen sich gut, da können sie meinetwegen vom Mond kommen.« Er macht einen großen Schritt über seine ausgelegten Waren, fasst Ayse am Handgelenk und sieht sich ihr Bändchen an. Anerkennend murmelt er etwas vor sich hin und
Weitere Kostenlose Bücher