Zwischenwelten (German Edition)
denn?«, fragt Ayse schnell. Auch wenn alle gesagt haben, sie sollte kein Wort glauben, findet sie das Ganze insgeheim doch sehr spannend.
»Äh, ich sterbe doch nicht etwa ganz jung, oder?«
Es bleibt ein paar Sekunden still.
»Ah«, stößt Seraphina noch einmal zögernd hervor. Sie hebt den Kopf und blickt dem Mädchen verwundert ins Gesicht.
Nervös schaut Ayse von der alten Frau zu Tio und wieder zurück. »Was ist denn? Was Schlimmes?«
Tio kommt einen Schritt auf sie zu. Er will dem Mädchen noch mal versichern, dass das alles Unsinn ist, ein Scherz. »Mensch, sie tut doch nur …« Aber da fängt er Seraphinas Blick auf, und ihre Augen sind groß und rund. »Also …« Er tut, als müsste er lachen, ist aber verunsichert. »Sera … nun quäl sie doch nicht so. Du machst Ayse ja noch richtig Angst.«
Seraphina sagt nichts, schüttelt den Kopf und beugt sich wieder über Ayses Hand.
Nervös versucht Ayse, nun selbst einen Witz aus der Sache zu machen. »Ja, sag’s mir ruhig. Ich mache eine Reise und treffe da einen schönen Fremden.«
»Ich gucken später«, brummt Seraphina. »Ich gucken weit. Du wirst groß.« Sie schaut zu Ayse auf. »Du wirst groß … großer Mensch.«
Ayse zieht die Augenbrauen hoch. Was will die alte Frau damit sagen?
»Weltberühmt?«, fragt Tio und stößt Ayse mit dem Ellbogen an. »Ein Filmstar oder so was?«
»Nix Film«, faucht Seraphina und stößt mit einer beleidigten Geste die Hand des Mädchens von sich. »Ihr wollt nicht wissen? Ist auch gut.« Sie zieht kräftig an ihrem Zigarillo und hüllt Ayse in blauen Rauch ein.
Ayse räuspert sich. »Ich will es schon wissen. Wenn es wirklich wahr ist.«
Aber Seraphina lehnt sich zurück und schweigt mürrisch.
»Ach, komm schon, Sera.« Tio legt eine Hand auf Ayses Schulter. »Jetzt musst du uns den Rest auch noch erzählen. Wird sie ein Popstar, eine Sängerin? Oder so ein Promi aus dem Fernsehen?«
»Alles nix wichtig«, knurrt Seraphina. Sie steht auf, dreht sich um und hebt die Zeltbahn an. »So was sind nicht wichtige Menschen.«
»Aber jetzt warte doch«, ruft Ayse. »Ich will es echt wissen. Was werde ich denn später?«
»Eine weltberühmte Wissenschaftlerin!«, probiert es Tio wieder. »Oder Königin?« Er kann nicht verhindern, dass er dabei doch ein bisschen grinsen muss. »Ministerpräsidentin?«
Seraphina wirft einen letzten Blick über ihre Schulter. Sie schnippt mit den Fingern und tippt Tio dann mit ihrem spitzen Nagel an die Brust. »Und du … du sein kannst froh, wenn du darfst helfen. Ihr zusammen, ihr zwei.« Sie nickt, und dabei blitzen ihre Augen.
»O ja, Mensch«, seufzt Tio. »Wir heiraten doch, ha, ha.«
»Und du …« Seraphina nickt noch einmal Ayse zu. »Guter Mensch. Sehr guter Mensch!« Und damit verschwindet sie endgültig in ihrem Zelt.
»Jetzt wissen wir gar nichts«, sagt Tio. »Pff. Alles Blödsinn.«
Ayse beißt sich in die Wange. »Hat sie schon einmal bei jemandem gut vorhergesagt?«
»Heißt das, dass du vorhast, ihr zu glauben?«
»Was hat sie mit groß gemeint?«
»Wichtig«, antwortet Tio. »Berühmt.« Er schaut Ayse nachdenklich an. »Und ich soll froh sein, wenn ich helfen kann? Was will sie damit sagen? Werd ich dein Assistent? Hör mal, ich sag’s dir. Du wirst Präsidentin oder so, und ich werde jemand, der dir den ganzen Tag einen Stapel Papiere hinterherträgt und für dich das Telefon abnimmt. Das ist doch schon mal was.« Er lacht schallend.
»He«, ruft Maxim zu ihnen rüber. »Nicht auslachen! Meine Mutter nicht auslachen!« Und das, obwohl er ihnen vorher gesagt hat, sie sollten sich von ihr nichts weismachen lassen.
»Aber nein«, ruft Tio, »wir lachen doch nur, weil wir so froh sind. Uns ist gerade eine großartige Zukunft vorausgesagt worden, ha, ha, vor allem mir.«
Ayse seufzt. »Ja … du hast ja recht, es ist natürlich nur Unsinn, aber es wirkte so echt, grad so, als ob sie das ernst gemeint hat.«
»Ja, Sera kann klasse schauspielern«, meint Tio. Doch er hat auch Geschichten gehört, bei denen Seraphina total richtig gelegen hat. Aber na ja, das waren doch nur schöne Geschichten, oder?
»Komm, ich geh jetzt Pommes holen. Hast du auch Hunger? Fabian gibt einem immer viel zu viel, du kannst bei uns mitessen, wenn du willst.«
»Wie lange bleibt ihr hier noch?«, will Ayse wissen und wischt sich die fettigen Finger an den Hosenbeinen ab. Eigentlich hatte sie gegen sieben zum Essen zu Hause sein sollen, aber die Pommes rochen so
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