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Zwischenwelten (German Edition)

Zwischenwelten (German Edition)

Titel: Zwischenwelten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariëtte Aerts
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da schaut sie Tio schon entschuldigend an. »Ich mein das nicht böse.«
    »Ich versteh das«, sagt Tio sanft. Er blickt auf den Schutt zu seinen Füßen. »Ich kümmere mich um ein paar Freikarten. In Ordnung?« Dann erschrickt er über seinen eigenen Vorschlag. Den kann er doch nie einlösen! Wie soll er das Mädchen jemals mit zur Wanderbühne nehmen? Dazu müsste er sie ja durch die Kiste mitschleppen. Wenn sie überhaupt jemals dahin zurückfinden. Er hat diesen Vorschlag nur gemacht, weil er es hier so traurig findet. Der Hof voller Schlammpfützen und Schutt, die Frau staubbedeckt, das kaputt geschossene Dach – das alles sieht derartig trostlos aus, dass er ihnen einfach etwas Schönes in Aussicht stellen wollte. Eilig trinkt er die letzten Schlucke aus seinem Glas, verschluckt sich beinahe und gibt es Sirpa zurück. »Also vielen Dank. Ich denke, wir müssen jetzt gehen.« Er zieht Ayse am Ärmel.
    »Und wann kommst du mit den Karten?«, drängt Sirje. »Oder soll ich sie selbst abholen? Wo seid ihr noch mal?«
    »Weißt du, wir bringen sie vorbei«, stottert Tio. »Du siehst uns ja, wenn wir wieder auftauchen.« Er verabschiedet sich locker und schiebt Ayse vor sich her vom Hof.
    »Was ist denn mit dir los?«, will Ayse wissen, als sie außer Hörweite sind.
    Tio zuckt nur mit den Schultern. Er will lieber nicht darüber reden. »Wollen wir jetzt das Flussvolk suchen gehen?«
    »Das Feuer, das wir gesehen haben, die Rauchwolken …«, sagt Ayse, als sie wieder an den Weiden vorbeigehen. »Vielleicht war das auch irgendwas, das die Runji in Trümmer geschossen haben.«
    »Oder es ist ganz einfach angezündet worden. Die Frau, Sirpa, hat es einen Krieg genannt. Da haben ein paar Typen ordentlich Streit miteinander, das Flussvolk und die … anderen, sag ich mal.«
    Ayse bleibt stehen. »Der Fluss muss doch da irgendwo sein, oder?« Sie zeigt in die Ferne und schaut sich gründlich um. »Ist es dann nicht gefährlich, einfach so dort hinzugehen? Da drüben sind ein paar Hügel. Wenn wir die hochsteigen, können wir dann von oben auf den Fluss gucken, was meinst du? Ich weiß nicht, wie oft wir in dem Spiel sterben können«, Ayse grinst, »aber wir wollen doch lieber nicht zu viel riskieren, sonst sind wir plötzlich bei
game over

    »Aber auf den Hügel hoch, das kostet zu viel Zeit.« Tio streicht sich mit der Hand über den Bauch. »Ich bin schon wieder fast am Verhungern, ich hätte auch ein Stück Kuchen bestellen sollen. Am liebsten würde ich jetzt zurück in die Stadt gehen, um da was zu essen.«
    Aber Ayse ist fest entschlossen: Sie muss das Flussvolk mit eigenen Augen sehen. »Ich will sie sehen, Mensch! Du nicht auch?«
    Tio ist weniger begeistert, aber schließlich ist er einverstanden. »Also gut, steigen wir auf den Hügel. Von dort schauen wir nach den Flößen, und danach gehen wir auf eine der Terrassen essen. Okay?«
    Ausgelassen läuft Ayse vor Tio her. Sie hat keine Ahnung, was sie sich unter riesigen Flößen, wie Sirpa gesagt hat, vorstellen soll. Eine Art Wohnboot? Ob die mit den Flößen auch fahren konnten, oder lagen die Dinger unbeweglich auf dem Wasser? Runji hat Sirpa sie genannt. Das klingt für Ayse irgendwie abenteuerlich. Ob sie wohl so eine Art Zigeuner waren? Zogen sie mit ihren Flößen durch die Gegend? Ayses Beine bewegen sich immer schneller, und auf halber Strecke muss sie stehen bleiben, um wieder zu Atem zu kommen.
    Als sie dann vom Hang auf die Landschaft blicken, sehen sie noch mehr zerschossene Häuser und Bauernhöfe.
    »Ja, die sind hier schwer am Kämpfen«, sagt Tio.
    »Guck mal«, Ayse streckt den Arm aus, »da auf dem Weg. Da fährt so ein komischer Holzwagen mit einem verrückten Ding oben drauf. Ist das vielleicht ein … äh …«
    »Eine Schwinge«, fällt Tio das Wort ein. »Ja, ich glaub schon, das ist eine Schwinge.« Er deutet mit dem Arm einen Wurf an. »Schwinge. Verstehst du? Es ist einfach eine Art Arm aus Holz mit einem Behälter an einem Ende. Da legen sie den Stein rein, schwingen den Arm nach vorne, und der Stein schießt davon.«
    »Ist das nicht furchtbar altmodisch? Das sieht doch aus wie so ein Ding aus dem Mittelalter, mit dem sie die Burgen angegriffen haben.«
    »Und das kommt mir ziemlich komisch vor, denn die Leute hier haben Elektrizität, das haben wir ja in der Stadt gesehen. Und mit welchem Treibstoff fährt der hölzerne Wagen mit der Schwinge? Er macht kein Geräusch, oder hörst du so was wie einen Motor? Die sind hier

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