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Zwischenwelten (German Edition)

Zwischenwelten (German Edition)

Titel: Zwischenwelten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariëtte Aerts
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ein paar Meter von dem umgestürzten Wagen entfernt. »Quatsch nicht über irgendwelche Wagen«, murmelt sie, »ich glaube, hier hat eine Bombe eingeschlagen!«
    Neben dem Krater liegt ein entwurzelter Baum. Beim Umkrachen hat er offenbar einen Teil vom Dach des Gebäudes eingerissen.
    Sie gehen um den Stall herum. Ayse stolpert über einen heruntergefallenen Dachziegel, und eine Scherbe klappert gegen einen kleinen Haufen anderer Bruchstücke. Das macht kaum Krach, doch im Stall antworten mehrere Dutzend Gänse mit mehrstimmigem Geschnatter. Im Bauernhaus geht eine Tür auf, und eine Frau kommt erschrocken nach draußen gerannt. Sie blickt zum Dach hoch, als würde sie erwarten, dass gleich ein Dachziegelregen niederprasselt.
    Tio räuspert sich vorsichtig, und die Frau wird auf die beiden aufmerksam. Sie mustert sie kurz schweigend, und selbst bei dem Abstand von einigen Metern können Tio und Ayse ihr Erschrecken, dann Verwunderung und schließlich Misstrauen ansehen.
    »Wer seid ihr und was wollt ihr hier?«, blafft sie die beiden an.
    »Oh, wir fragen uns einfach, was hier passiert ist …«, stammelt Tio.
    »Ha!«, schreit die Frau, als könnte sie nicht fassen, was er sagt. »Was hier passiert ist?« Sie lacht laut auf, doch es ist kein fröhliches Lachen. »Habt ihr nichts Besseres zu tun, als anderer Leute Elend zu begaffen?«
    Ayse macht große Augen. »Aber wir haben doch nicht gewusst … Ich meine, wir waren neulich auch hier, und da … « Sie wechselt einen verwirrten Blick mit Tio.
    »Es wäre netter, wenn ihr zum Helfen gekommen wärt …«, brummt die Frau und bückt sich, um einen Stapel Dachziegel zur Seite zu schieben.
    »Oh … aber wir wollen doch auch kurz helfen«, ruft Tio schnell.
    »Kurz helfen?« Die Frau schaut ihn spöttisch an.
    »Komm«, flüstert Tio Ayse ins Ohr und schiebt sie vor sich her auf die Frau zu. Höflich streckt er ihr die Hand hin. »Ich bin Tio.«
    Nach einigem Zögern schüttelt die Frau seine Hand.
    »Und ich bin Ayse. Wir können gut eine Weile mitmachen und Ziegel einsammeln … oder so.« Ayse beißt sich auf die Lippe und blickt die Frau abwartend an.
    Die Frau scheint einverstanden zu sein und taut ein bisschen auf. »Sirpa«, sagt sie und schüttelt Ayse ebenfalls die Hand.
    Tio und Ayse sehen sich an. Ist das ihr Name?
    Es ist das erste Mal, dass Ayse die Möglichkeit hat, jemanden hier von nahe zu betrachten, ohne dass es unhöflich wirkt, und sie mustert die Frau aufmerksam. Die Haare sind nicht so kurz geschnitten wie bei den Menschen in der Stadt. Sie sind dunkel, fast schwarz, und ihre Augen sind braun und – bei näherem Hinsehen – eigentlich sehr freundlich. Die Frau wischt sich mit der Hand über die Stirn und hinterlässt eine Schmutzspur. Offensichtlich ist Sirpa schon den ganzen Tag dabei, Schutt wegzuräumen.
    »Sollen wir helfen?«, schlägt Ayse noch mal vor. »Müssen die zerbrochenen Ziegel eingesammelt werden?« Sie bückt sich und hebt eine Scherbe auf. »Kommen sie da auf den Stapel?«
    Sirpa nickt. »Aber warum … warum kommt ihr mir helfen? Ist euer eigenes Haus vielleicht auch getroffen worden?«
    »Von was getroffen?«, fragt Tio interessiert.
    Die Frau schaut ihn verwundert und mit wieder aufflammendem Misstrauen an. »Willst du mich für dumm verkaufen?«
    »Nein, wirklich nicht.« Tio bückt sich und hebt einen Ziegel auf, um zu beweisen, dass er es ernst meint. »Wir sind nicht von hier.« Er zeigt auf sich und Ayse. »Wir sind gestern hier in der Gegend angekommen, und ehrlich gesagt begreifen wir nicht, was eigentlich los ist.« Er deutet auf das kaputte Dach. »Das war doch nicht etwa eine Bombe oder eine Rakete?«
    »Eine was?« Jetzt ist es die Frau, die nichts begreift.
    »Dass Sie bombardiert worden sind, meine ich, aus einem Flugzeug«, erklärt Tio.
    »Aus einem … Flugzeug?« Die Frau lacht ungläubig. »Wovon redest du denn?«
    Ayse schiebt sich schnell zwischen die beiden, bevor Tio der Frau noch mehr fantastische Dinge erzählt, die sie ganz offensichtlich nicht verstehen kann. Vielleicht ist diese Welt ja ganz anders, möglicherweise gibt es in ihr überhaupt keine Flugzeuge. »Können Sie uns vielleicht einfach erzählen, was passiert ist?«
    Die Frau zögert kurz, doch dann zuckt sie mit den Schultern und sagt: »Es war gestern, am Nachmittag, gegen drei Uhr. Zum Glück war ich allein zu Haus. Die Kinder waren noch in der Schule. Sie sind mit einem Wagen gekommen und haben auf mein Haus

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