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Zwischenwelten (German Edition)

Zwischenwelten (German Edition)

Titel: Zwischenwelten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariëtte Aerts
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Hunderten von Untertanen braucht, erfüllt Ayse mit Verachtung.
    »Aber ihr braucht keine Angst zu haben, ich will euch nicht anzeigen. Ich bin nur neugierig. Ich möchte gern mit euch reden.«
    »Jetzt komm schon«, sagt Tio beschwichtigend zu Ayse.
    »Du willst mir doch nicht erzählen, dass du ihr sofort wieder vertraust? Dafür braucht es wohl nicht viel, was? Sie zwinkert einmal mit ihren giftgrünen Äuglein, und du rennst wie ein Idiot hinter ihr her!«
    »Aber Ayse, wir haben doch gar keine andere Wahl. Wäre es dir denn lieber, dass sie alles in Bewegung setzt und wir von den Runji überwältigt werden?«
    Nein, das ist Ayse natürlich nicht lieber. Die Arme noch immer abweisend vor der Brust verschränkt, die Augenbrauen wütend zu zwei Strichen zusammengezogen, trottet sie widerwillig hinter Tio und dem Mädchen her.
    Hala führt sie an einem geschwungenen Holzzaun entlang bis zu einer Art Tor, das ebenfalls von einer Runji bewacht wird. Die Wache hält eine Waffe in der Hand.
    Hala sieht, wie Ayse mit gerümpfter Nase den Speer mit der scharfen Spitze betrachtet, und lächelt. »Die werden nur noch selten gebraucht, wir sind ein kultiviertes Volk.« Das klingt irgendwie eingebildet, als würde sie meinen, dass das bei Tio und Ayse nicht der Fall wäre.
    Ayse kann es denn auch nicht lassen zu sagen: »Ach ja? Wir zufällig auch. Wir heben diese Dinger schon seit Jahren nur noch im Museum auf.« Sie weiß natürlich, dass in der Welt, aus der sie kommt, genauso Kriege wüten und es sehr viel schrecklichere Waffen gibt als diesen unhandlich wirkenden Speer.
    Ohne die Wächterin auch nur eines Blickes zu würdigen, geht Hala an der Frau vorbei. Auch die Wächterin verzieht keine Miene. »Ich bringe euch zum Maile Dhor Dhun.«
    »Dem was?« Tio ist erschrocken und bleibt stehen. Er findet, dass das ziemlich unheimlich klingt. »Wir werden doch nicht in ein Verlies gesperrt, oder?«
    »Klar doch«, schimpft Ayse, »warum nicht gleich geköpft?«
    Hala blickt die beiden nacheinander an und lächelt dann kopfschüttelnd. »Ein Dhor ist ein ummauerter Garten, und Dhun bedeutet ungefähr so etwas wie Festung in eurer Sprache. Ein richtig passendes Wort habt ihr eigentlich nicht dafür. Ursprünglich war der Dhun das größte Boot der Flotte, das Schiff, das die Vorräte an Bord hatte, Lebensmittel, Medizin, Waffen – einfach alles. Es war das einzige Boot, das kein Wohnboot und auch kein Fischerboot war, sondern so etwas wie ein schwimmender Vorratsschrank. Als die Runji aufgehört haben herumzureisen, wurde auch das größte Boot an den Terrassen festgemacht. Dann wurde alles Mögliche darum herum gebaut: ein Algengarten, ein Zaun. Weil es die Maile war, die über Waffen und Besitztümer und auch über alle anderen Dinge zu bestimmen hatte, war es ziemlich selbstverständlich, dass sie auch im Dhun wohnte. Das war vorher nicht der Fall, weil sie immer auf dem Erkundungsboot mitfuhr. Wenn wir heute vom Maile Dhor Dhun sprechen, dann ist das also der Garten der Festung der Maile.« Es klingt, als würde sie eine auswendig gelernte Lektion abspulen.
    »Und die Festung selbst«, will Ayse wissen, »ist das vielleicht zufällig das Gebäude mit den Säulen da, auf das wir gerade zugehen?«
    Hala nickt. »Aber ich bringe euch in den Algengarten, da gibt es Holzbänke, auf die ihr euch setzen könnt.«
    »Oh?« Ayse verzieht das Gesicht. »Hat die Maile denn keine feinen weichen Bänkchen in ihrem Dhun, auf denen wir uns schön ausruhen können?« Sie betrachtet die hölzernen Säulen, hinter denen sie einen prachtvollen Palast vermutet.
    Hala sieht sie fassungslos an. »Aber ich kann euch doch nicht mit reinnehmen!«
    »Warum nicht?«, fragt Ayse, und ihre Miene wird noch störrischer. »Hab ich vielleicht Scheiße an den Schuhen?«
    Hala hält sich die Hand vor den Mund und lacht. »Niemand darf den Dhun so ohne Weiteres betreten. Man braucht eine offizielle Einladung«, leiert sie wie auswendig gelernt herunter.
    »Wohnst du selbst nicht auch dort?«
    »Ja, sicher.«
    »Und kannst du uns dann nicht offiziell einladen?«, fragt Ayse prompt.
    Hala beißt sich auf die Lippe und scheint angestrengt nachzudenken. Ihr Blick wandert von Tio zu Ayse und bleibt eine Weile auf das Mädchen gerichtet. Dann leuchtet so etwas wie Interesse in ihrem Blick auf. »Äh … ja …«, murmelt sie.
    Ayse wirkt zufrieden. Was wird Hala tun? Weiß sie etwa nicht, ob sie jemanden einladen darf oder nicht? Wie albern. Steht sie dermaßen

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