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Zwölf im Netz

Zwölf im Netz

Titel: Zwölf im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Seipolt
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flüchtete ängstlich in die Ecke — und riß sich die Lumpen, die er um seine Hüften geschlungen hatte, mit solche Behendigkeit vom Leibe, daß weder Thomas noch der Wirt ihn daran hindern konnten. »He, Priester, bin ich nicht ein schöner Mann?« rief er, streckte die Brust vor und ließ seine Hände lustvoll von den Schultern bis zu den Schenkeln gleiten.
    »Schamloser Kerl«, zischte der Priester. »Wickle dich gefälligst in deine Lumpen. Du bist nicht am Strand von Tiberias.«
    Der Wirt hatte inzwischen hastig die Tür geschlossen und von innen verriegelt, damit, beim Barte der Patriarchen, ja kein unbefugtes Auge dem nackten Spektakel beiwohne. »Wickle du dich in die Lumpen, wirst sehen, völlig neues Lebensgefühl«, höhnte Nathan, »nur werden sie zu kurz sein für deinen Fettbauch. Mich siehst du nie wieder in Lumpen. Ich will mich kleiden wie Salomo. Und ich will endlich was von meinem Körper haben, verstehst du? Da, fühlt doch mal, wie glatt die Haut ist, keine Pickel, keine Geschwüre, keine Eiterbeulen, nicht einmal Narben. Einfach weggepustet die ganze Lepra. Da, meine Gliedmaßen, vollzählig vom kleinen Finger bis zur großen Zehe. Hier, mein Gesicht, wie geleckt. Hier, die unverstümmelten Füße. Fühlt doch, traut euch nur, ihr infiziert euch nicht.« Er packte Thomas, der ihm am nächsten stand, mit eisernem Griff am Handgelenk und zwang ihn, über die makellose Haut zu streichen. »Fühlst du's? Fühlst du's?«
    »Ja«, sagte Thomas erschüttert, »kein Zweifel. Mein Gott!«
    »Und du, Pfaffe, bist du auch überzeugt?«
    Schebulon nickte übereifrig mit dem Kopf. »Freilich, freilich, aber, bitte, zieh dich wieder an.«
    »Am besten damit«, rief der Wirt und reichte Nathan einen frischgewaschenen Leibrock, den er geschwind aus der Kammer geholt hatte, »du darfst ihn behalten.«
    Nathan warf sich das Gewand über ; es schleifte am Boden, aber das störte ihn nicht. »Und jetzt wird gefeiert, Männer, große Orgie Nummer 7! Schaff das Beste vom Besten herbei — auf seine Kosten.« Er deutete auf den Priester. Der hob entsetzt die Hände, fast wie zum Gebet, nur schneller. »Protestier nicht, alter Geizkragen. Du hast mir niemals eine Münze in den Bettelsack getan, wie diese da. Das wird jetzt nachgeholt, verstanden?«
    Der Vertreter der Geistlichkeit wagte keinen Widerspruch mehr. Und der Tag endete für ihn weit schlimmer, als er befürchtet hatte.
    Stunden später besann sich Thomas, daß Mitternacht wohl längst vorüber und es hohe Zeit sei, zum Fischfang auszufahren. Wenn nur der Schädel weniger brummte. Er hätte sich ohrfeigen können. Was würde er in diesem Zustand fangen? Nicht einen einzigen Weißfisch. Trotzdem, er mußte auf den See hinaus. Seine Frau verstand wenig Spaß, wenn er, statt von der Arbeit, frühmorgens aus der Kneipe heimkehrte. Vorsichtig stieg er über Nathan und den Priester, die halbentblößt wie der betrunkene Noah auf den Kissen lagen und ihren Rausch ausschnarchten.
    Er stieß den Riegel zurück, öffnete die Tür und sog die frische Morgenluft in vollen Zügen ein. Leicht taumelig stapfte er zum Ufer. Alle anderen Boote waren längst draußen; im Osten dämmerte es schon. Er würde ganz allein arbeiten müssen, verdammt!
    Plötzlich stutzte er. Träumte er oder wartete da wirklich noch einer auf ihn? Da saß jemand im Heck seines Bootes. Er beschleunigte seine Schritte, und als er nur noch einen Steinwurf weit von ihm entfernt war, erkannte er ihn. »Du bist es, Meister?«
    Jesus streckte ihm die Hand entgegen. »Komm!«
    Und Thomas, der Zweifler, folgte ihm nach.

Die Damen und der Offizier

    Natanael saß über seinen Büchern, da wurde die Tür von draußen aufgestoßen. Philipp trat ein, verschwitzt und ungekämmt, wie man das bei ihm nicht gewohnt war.
    Gerne hätte Natanael den Freund herzlich wie immer begrüßt, hielt jedoch aus gewissen Gründen eine pädagogische Note im Umgang mit ihm für zweckmäßig und begnügte sich mit der knappen Feststellung: »Der Ausreißer ist wieder da.«
    Philipp überhörte es und fragte, ziemlich aufgeregt, ob er eine Ahnung habe, wo sich Jesus gerade aufhalte.
    »Eine Ahnung habe ich«, bemerkte Natanael kühl, »aber zuerst möchte ich erfahren, weshalb du zurückkehrst. Hat dich diese korpulente Aphrodite noch nicht endgültig in ihr goldenes Netz gelockt? Wie kokett sie deine sämtlichen Backen getätschelt und dich mit feurigen Blicken verspeist hat. Du hattest natürlich nichts Wichtigeres zu tun, als

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