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Zwölf im Netz

Zwölf im Netz

Titel: Zwölf im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Seipolt
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Lehre zeigen sie sich nicht interessiert.«
    »Enttäuscht dich das? Hatte der große Spezialist für Weiberherzen etwas anderes erwartet?« fragte Natanael boshaft. »Welchen Wunderteppich hast du denn vor ihnen ausgebreitet?«
    »Den mit den knalligsten Farben. Für Heilungen von Blinden oder Lahmen haben sie nur ein blasiertes Lächeln übrig. Von der Erweckung der kleinen Tochter des Jairus in Kapharnaum hatten sie gerüchteweise gehört, glauben aber nicht, daß sie wirklich tot gewesen sei, höchstens scheintot, mausetot nicht. Die Exmätresse des Prokonsuls meinte, die Ärzte hätten bis heute kein Kriterium für den Eintritt des Todes. Ja, wenn das Mädchen schon im Grab gelegen wäre, drei Tage lang zum Beispiel, dann könnte man von Totenerweckung sprechen. Und die lasterhafte Zoe fügte hinzu, daß sie sich dann bei Jesus gleich vormerken lassen würde.«
    »Ich warte noch immer auf die knalligen Farben«, sagte der Freund mit unwissenschaftlicher Ungeduld. »Was meintest du damit?«
    »Dämonenaustreibungen, mein Bester, da spielt so viel Makabres und Mysteriöses mit, da kann man sich gruseln und zugleich amüsieren, genau der richtige Kitzel für verwöhnte Ohren. Und so servierte ich ihnen, nach einigen dämonischen Vorspeisen, als Hauptgericht die Besessenen von Gerasa. Nach Gerasa fahren sie öfter zum Picknick; du kannst dir denken, wie sie an meinen Lippen hingen.«
    »Zentnerlasten! Daß Lippen so was aushalten können!«
    »Hör weiter zu! Als ich ihnen schildere, wie die Dämonen mit eingezogenen Krallen vor Jesus zurückweichen, ihre Flüche in unverständliches Gurgeln und Grunzen übergehen, wie sie sich am Boden winden, bis Jesus ihnen befiehlt, in die Schweine zu fahren, und wie diese Schweine dann in den See stürzen und kläglich ersaufen — da wurden sie trotz ihrer Schminke abwechselnd rot und blaß. Sogar die Zoe. Bis dieses Weib sich ermannte und feststellte: Aha, darum ist der Preis für Schweinefleisch gestiegen. Ihrem Mann gehört die Wurstfabrik Camalia.«
    »Carnalia«, wiederholte Natanael zornig, »und mit solchen Schinkennudeln vertrödelst du deine Zeit.«
    »Ich habe von Jesus gesprochen«, verteidigte sich Philipp. »Zum Amüsement gelangweilter Damen, die den neuesten Klatsch wie Sahne zum täglichen Kuchen brauchen. Bilde dir ja nicht ein, daß du ihnen auf diese Weise die Botschaft vom Reiche Gottes vermittelst. Außerdem steht das für ihresgleichen sowieso nicht offen.«
    »Warum soll das für sie nicht offenstehen?«
    »Sie sind Heiden. Sie gehören nicht zum auserwählten Volk.«
    »Und was sagt Jesus?«
    »Er ist zu den Schafen des Hauses Israel gesandt, nicht zu den Wölfen des Imperiums.«
    »Der zweite Teil des Satzes stammt von dir, kein Wunder. Du kennst den römischen Hauptmann nicht«, sagte Philipp, und seine Stimme klang wieder sicherer.
    »Welchen Hauptmann?«
    »Simon hat dir nichts erzählt?«
    »Der sitzt auch beim Levi drüben.«
    »Wie du hinter deinen Büchern.«
    »Es gibt schließlich gewisse Dinge in den Schriften nachzuprüfen. Manche Sätze, die der Meister spricht, verwirren mich ein wenig.«
    »Da hätte dich der römische Hauptmann restlos aus der seelischen Balance geworfen.«
    »Traust du da dem Vertreter der Besatzungsmacht nicht etwas zuviel zu?«
    »Jesus hat ihm noch mehr zugetraut. Ohne ihn wäre ich vielleicht gar nicht zurückgekommen. Ehrlich gesagt, ich war nahe dran, Jesus zu vergessen«, gestand Philipp, »obwohl wir ständig von ihm geredet haben. Aber er war meilenweit entfernt, und Valeria hautnah vor mir, mit ihrem Charme, ihrer Schönheit, ihrer Eleganz.«
    »Erspare mir Details! Fassen wir zusammen: und ihrem süßen Leben.«
    »Mit allem frivolen Zauber und leichtherzigen Genießertum... Ich wäre der Verlockung wieder erlegen, hätte nicht Gott diesen Hauptmann im richtigen Augenblick geschickt. Valeria berauschte sich gerade an einer neuen Idee
    - ein Porträt des Meisters zu malen. Ich sollte das arrangieren und versprach es sogar.«
    »Bist du noch zu retten? Soll Jesus, als Hermes oder Äskulap kostümiert, Modell sitzen, um eine Weiberlaune zu befriedigen?«
    Philipp suchte sich zu wehren. »Nein, sie wollte ihn als Philosophen malen — aber das ist jetzt gar nicht wichtig. Höre weiter! Valerias Einfall versetzte die Damen in Entzücken, und während sie nun, bei Pistazieneis mit heißer Himbeer-soße, eifrigst diskutieren, wo man das Bild am besten aufhängen könnte, erdröhnte der Marmorboden vom Tritt

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