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Zwölf im Netz

Zwölf im Netz

Titel: Zwölf im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Seipolt
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Burschen aus den Fischerdörfern! Ich ahne, warum du sie mit klaren Worten zur Nachfolge auffordern mußt, von alleine kämen die nie, bequem und unbeweglich, wie die meisten sind. Und feig! Das sagt meine Mutter, und da hat sie wohl ausnahmsweise recht. Ich möchte dir nichts Böses wünschen, Meister. Doch du weißt selber, wie viele dich hassen und am liebsten umbringen würden. Nimm den traurigen Fall an, sie verhaften und verurteilen dich.Was glaubst du wohl, wer dir folgt? Ich gehe jede Wette ein, die Männer verkriechen sich höchst unmännlich in den dunkelsten Winkeln vor Angst, aber die Frauen halten dir die Treue, die Treue bis zum Ende.«
    »Das Mädchen Veronika auch?« fragte Jesus sehr ernst. »Das Mädchen Veronika auch.«
    »Ich kann mich also auf dich verlassen?«
    Sie streckte ihm die Hand entgegen. »Absolut, Meister.« Und Jesus schlug ein.

    *

    Auf ihrem Rückweg lief Veronika drei Jüngern in die Quere. Philipp und Natanael schleppten einen großen Korb voll halbgetrockneter Wäsche bergan, Johannes transportierte die nassen Socken in einem Fischnetz. Ein erheiternder Anblick. Philipp erblickte natürlich das Mädchen zuerst und sprach: »Na, was kommt dort von der Höh? Die Kleine kennen wir doch.«
    »Ich nicht«, brummte Natanael, »mir fehlt der fachmännische Blick dafür.«
    »Aber, aber, dieser kecke Zweibeiner muß sogar dir aufgefallen sein, Natanael. Mindestens zehnmal mußten wir sie abwimmeln, wenn sie Jesus die Zeit stehlen wollte. Und was tut das raffinierte Ding? Wartet, bis der Meister unbeaufsichtigt ist und schleicht sich ran an ihn.«
    Veronika war nur wenige Schritte entfernt, da rief er ihr zu: »He, Kleine, wir könnten weibliche Hilfe gut gebrauchen.«
    »Selbst ist der Mann«, gab sie kurz angebunden zurück und machte keine Miene, stehenzubleiben. Da trat ihr Philipp in den Weg und stellte den Korb unmittelbar vor ihr auf den Boden. Natanael war diese Szene offensichtlich peinlich, er wandte sein Antlitz in Richtung Jerusalem. Johannes wartete ab.
    »Wie recht du doch hast, selbst ist der Mann, du schnippische Schönheit«, sagte Philipp und zwinkerte heftig mit den Augen. »Trotzdem könntest du ausnahmsweise liebenswürdig sein und uns die Hemden säuberlich Zusammenlegen. Das ist schließlich keine Arbeit für Männer.«
    Veronika streifte den Inhalt des Korbs mit einem flüchtigen Blick und meinte, die Hemden müßten erst gebügelt werden.
    »Gebügelt. O Freunde, vernähmet ihr dieses?« sprach er mit spöttischem Pathos. »Seid ihr euch auch bewußt, den fachmännischen Rat eines perfekten Hausmütterchens zu empfangen? Und wenn du sie uns bügeln könntest, Verehrteste...?«
    »Können ja, mögen nein«, erwiderte sie barsch, insgeheim einen Blick auf Johannes werfend. Merkte der nicht, wie sehr Philipp sie anödete? Warum griff er nicht ein?
    »Ach so«, sagte Philipp, an ihr vorbei zu den zwei anderen, »dann unterbleibt halt das Bügeln, wenn die Gnädigste nicht gnädig aufgelegt ist. Vielleicht hat sie der Meister nur mit gebremstem Charme behandelt.«
    »Besser als du bestimmt.«
    »Noch besser als ich? Sieh einer an«, rief Philipp mit gespieltem Erstaunen, »wo ich doch als Herzensbrecher unschlagbar bin. Wie hat er dich denn dann behandelt?«
    »Gleichberechtigt.«
    »Gleichberechtigt?« Jetzt spitzte sogar Natanael die Ohren und dachte: Um Himmels willen, was fällt dem Meister ein? Will er alles umkrempeln?
    »Was soll das heißen, gleichberechtigt?« fragte Philipp noch einmal. Ihn hätte Veronika keiner Antwort gewürdigt, aber den Johannes, wenn er auch dem ganzen Wortstreit folgte wie ein stummer Ochse.
    »Der Meister verspricht, daß es in seinem Reiche keinen Unterschied der Geschlechter mehr gibt«, erklärte sie laut und deutlich.
    »Gar keinen mehr?« fragte Philipp, und seufzte: »Das wäre aber schade.«
    Jetzt war es mit Veronikas Beherrschung vorbei, am liebsten hätte sie ihm ein paar nasse Socken um die Ohren geknallt. »Ihr kapiert überhaupt nichts«, rief sie zornig. »Absolut nichts.« Sprach's und rannte den Abhang hinunter. Bewundernd sahen ihr die Jünger nach.

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