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Zwölf im Netz

Zwölf im Netz

Titel: Zwölf im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Seipolt
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Gläser zerbrochen hatte. Du hast die Tränen bemerkt, mit dem Schürzenzipfel abgewischt und gesagt: >So darf ein hübsches Mädchen nicht vor die Gäste treten.< Ich fand das überaus nett. Da hattest du gerade vor, dein erstes Wunder zu wirken — und tröstest ein heulendes Mädchen. Ich vergesse das nie. Für mich war es auch wie ein Wunder; alle anderen stießen mich nur herum, und keiner nahm mich ernst. Bis auf dich. Das war die schönste Hochzeit meines Lebens, absolut.«
    »Heißt das nicht ein bißchen vorschnell geurteilt, Veronika? Es gibt eines Tages bestimmt noch eine schönere Hochzeit für dich, deine eigene.«
    Aus ihrem Gesicht war schlagartig alle Fröhlichkeit verschwunden. »Das hättest du jetzt nicht sagen sollen, Meister, das verdirbt mir absolut die Stimmung.«
    »Wie das? Hast du deine Hochzeit vielleicht schon hinter dir?«
    »Das nicht, aber in vier Wochen soll sie sein.«
    »Und das stimmt dich so düster? Seltsam!«
    »Rabbi Jesus, daran ist gar nichts seltsam«, entgegnete sie. »Was weiß ich von meinem Künftigen? Daß er Sadok heißt, neun Jahre älter ist als ich, einen schwarzen Vollbart trägt und — im Gegensatz zu anderen Männern — nicht nach Knoblauch riecht. Er soll unser kleines Geschäft übernehmen, weil mein Bruder keine Lust dazu hat. Der fährt lieber als Schiffskoch auf hoher See durch die weite Welt und schickt mir als Trostpflaster Grüße aus Rom, Alexandrien und Karthago — der freie Mann seiner gefangenen Schwester. Und jetzt soll ich mich noch enger ans Haus ketten und von der Welt nichts sehen außer werktags die Marktbuden und am Sabbat die Synagoge? Fällt mir absolut nicht ein. Ich habe schon einen Gegenplan ausgearbeitet. Du wirst es mit eigenen Augen sehen, drei Tage vor der Hochzeit laufe ich weg. Was mein Bruder kann, kann ich erst recht.«
    »Wieso werde ich das mit eigenen Augen sehen?« fragte Jesus verwundert.
    »Weil ich zu dir laufe und du mich nicht fortschicken kannst. Du hast in der Synagoge ausgerufen: — Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid!- Ich nehm dich beim Wort, Rabbi Jesus!«
    »Ich dich auch, Veronika. Sei ehrlich. Mühselig und beladen — stellst du dir darunter ein Mädchen vor wie dich, gescheit, gesund und gut gebaut? Ein Mädchen, das genau weiß, was es will? Und das jetzt sein seelisches Gleichgewicht verliert, weil etwas nicht nach seinem Kopf zu gehen droht? Nein, Veronika. Was wirklich mühselig und beladen ist, das hast du oft genug erlebt, wenn du die Krüppel, die Aussätzigen, die Blinden und Lahmen gesehen hast, die sich zu mir drängen. Sie können sich nicht mehr selber helfen, du kannst es. Sag deinen Wunsch, oder bist du nur zum Plaudern gekommen?«
    »Wäre das so schlimm?«
    »Es wäre schön, wenn einer gar nichts von einem verlangt, außer dazusein.«
    »Meister«, sagte Veronika mit einem tiefen Aufatmen, »absolut das wünsch ich mir, dazusein, bei dir zu sein — wie deine Freunde es dürfen. Deine Nähe zu spüren, deine Strapazen zu teilen, mit dir durch Galiläa zu wandern, von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt, vielleicht sogar nach Jerusalem. Deine Wunder mitzuerleben und dir zuzuhören, wenn du vom Gottesreich erzählst, stundenlang, tagelang. Bisher durfte ich dich nie allein sehen, immer wachten Mutter und Tante über mich. Und wollte ich auf dich warten, um zwei, drei Worte mit dir zu wechseln, zogen sie mich fort, »ab ins Haus<, hieß es dann, »der Rabbi hat keine Zeit für kleine, naseweise Mädchen-. Einmal hätte ich es beinahe geschafft; die Tante hatte eine langvermißte Freundin entdeckt und mich darüber ganz vergessen. Da schoben mich deine Jünger zur Seite, mit was für Ausdrücken, danach frage lieber nicht. Baby und Göre waren noch die harmlosesten. In deiner Gegenwart mögen sie sich zusammenreißen, aber sonst können sie absolut nicht verleugnen, wo sie aufgewachsen sind: in den hintersten Fischerdörfern am See. Nur einer fand ein freundliches Wort für mich, der junge, Kräftige mit den lustigen Sommersprossen.«
    »Johannes.«
    »Der einzige, den ich mag.«
    »Und der einzige, der niemals heiraten will. Genau wie du.«
    Veronikas Augen leuchteten auf. »Tatsächlich? Das macht ihn absolut sympathisch.« Und mit einem spitzbübischen Lächeln fügte sie hinzu: »Dann wären wir ja ein Traumpaar.« Aber sofort wurde sie ernst, als sie fragte: »Und warum will er nicht heiraten?«
    »Das fragst du ihn am besten selber. Es sind kaum dieselben Gründe wie bei

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