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Zwölf im Netz

Zwölf im Netz

Titel: Zwölf im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Seipolt
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Ankunft des Onkels hin das Vaterhaus auf suchen oder es meiden würden.
    »Befehlen lassen sie sich nichts mehr«, meinte Zebedäus bekümmert. Der geistliche Onkel zog sie Stirne kraus. »Auch der Jüngere nicht?«
    »Der am allerwenigsten. Wir können nur hoffen, daß sein Hunger größer ist als die Scheu vor dir.«
    So war es auch. Als Johannes eintrat und Onkel Joseph höflich begrüßte, erwartete dieser, im Gesicht des Großneffen eine Spur von schlechtem Gewissen oder wenigstens von Unruhe zu entdecken. Doch der kniff nur die Lippen zusammen — leicht mißtrauisch oder kampflustig? Johannes hätte nicht Johannes sein dürfen, hätte er nicht sofort gespürt, welche Gewitterwolken sich über seinem Kopf zusammenbrauten. Er fürchtete sich aber nicht. Hatte ihm Jesus nicht schon hundertmal vorexerziert, wie man mit Schriftgelehrten umspringen mußte? Er hoffte nur, daß »Thema 1« erst nach der Bohnensuppe, nach der Fleischpastete, dem »eingemachten Familienvater« und dem süßen Kompott zur Sprache komme; denn er hatte wirklich einen Bärenhunger.
    Die väterliche und die geistliche Autorität taten ihm diesen Gefallen, unterhielten sich über die steigenden Erzeugerpreise in Syrien und die sinkenden in Galiläa, stritten über die Notwendigkeit einer Tempelsteuerreform und amüsierten sich über die chaotische Weiberwirtschaft am Hof des Herodes Antipas und lobten die Kochkunst der Hausfrau. Doch dann endete die Schonfrist für Johannes. Der geistliche Onkel machte sich daran, von den Höhen der Landespolitik in die Niederung familiärer Sorgen hinabzusteigen; er wollte das auf gewissen rhetorischen Umwegen bewerkstelligen. Johannes aber benutzte das erste hörbare Interpunktionszeichen des geistlichen Onkels, ein tiefes Schnaufen, um die Attacke zu eröffnen: »Was hältst du eigentlich von Jesus, Onkel? Du hast bestimmt schon vieles über ihn gehört.«
    Joseph wischte sich mit dem Zeigefinger Kuchenkrümel aus den Mundwinkeln. »Siehst du, Johannes, darüber wollte ich gerade mit dir sprechen.«
    »Machen wir's kurz: Hältst du ihn für einen Verrückten oder für einen Heiligen, für einen Betrüger oder für den Messias?«
    »Nicht für den Messias«, entgegnete Joseph ruhig, »aber die Skala der Beurteilung reicht vom Betrüger bis zum Heiligen. Ich persönlich halte ihn freilich eher für einen Betrogenen.«
    »Betrogen? Von wem? Von Gott?«
    »Gott betrügt keinen«, sagte Joseph streng, »aber wir betrügen uns selbst und lassen uns von uns selbst betrügen — falls dir diese feine Unterscheidung nicht als Wortklauberei erscheint.«
    »Das tut sie aber.«
    »Nun, dann will ich es anschaulicher sagen: Ich rechne ihn zu jenen Idealisten, die stets das Beste wollen und trotzdem das Schlimmste anrichten.«
    »Beweise das!«
    Onkel Joseph lächelte mit dem Erfahrungsvorsprung von zwei Generationen über den scharfen Ton des Jungen, während Zebedäus seinen Groll kaum bezwingen konnte. Der Junge vergaß sich.
    »Beweisen, mein lieber Johannes, läßt sich eine solche Behauptung leider erst, wenn das Unheil bereits geschehen ist.«
    »Müssen wir so lange warten?« fragte Zebedäus ungeduldig. Ihm verfuhr der Onkel zu umständlich. »Genügt uns nicht, was dieser Jesus bisher an Unheil angerichtet hat? In den Familien zum Beispiel. Von Betsaida bis Magdala — kaum ein Haus am See, in dem noch Friede herrscht. Überall empören sich die Söhne gegen die Väter, bald schlagen auch die Töchter die Türen hinter sich zu. Ich frage mich aber, wie kann es das angekündigte Reich Gottes sein, wenn es mit Zank, Streit und Unfrieden einsetzt? Lies doch nach beim Propheten Maleachi dort, wo es vom letzten Propheten heißt: Er wird die Herzen der Väter wieder den Söhnen und das Herz der Söhne wieder den Vätern zuwenden. Und was tut dein Jesus? Der betont ausdrücklich: Wer Vater und Mutter mehr liebt als ihn, ist seiner nicht wert.«
    »Wie will er das Gottesreich aufbauen, wenn er vorher die Familien zerstört? Aber vielleicht bin ich mit solchen Ansichten von vorgestern.«
    »Unsinn, Zebedäus, nicht du bist von vorgestern«, beruhigte ihn der Onkel. »Was dieser Rabbi mit seinen Reden auslöst, die Anarchie, die ist von vorgestern; wir glaubten sie längst überwunden zu haben.«
    »Anarchie?« fragte Johannes mit schrillem Ton. »Den möchte ich sehen, der beweisen kann, daß Jesus jemals ein Sterbenswörtchen gegen die staatliche Autorität verlauten ließ.«
    »Aber um so mehr gegen die geistlichen

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