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Zwölf im Netz

Zwölf im Netz

Titel: Zwölf im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Seipolt
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nicht ein, weshalb hier ein Ausweg nötig sein soll. Für Johannes ist Jesus kein Irrweg, sondern der Weg, die Wahrheit und das Leben — übrigens auch ein Spruch des Nazareners, falls euch das interessiert. Ich war nämlich so unbotmäßig und habe trotz des Verbotes meines Hausvorstandes sage und schreibe drei Predigten des Rabbi Jesus in Kapharnaum angehört. Zebedäus, erinnere dich, du bekamst einen Wutanfall, weil das Linsengericht mit Verspätung auf den Tisch kam. Und zwei Tage danach das Lammkotelett.«
    »Ich erinnere mich«, murmelte Zebedäus, »das dritte Mal mußte ich mir den Hirsebrei selber kochen.« Und zu Joseph gewandt, fügte er hinzu: »Du siehst, dieser Jesus trennt nicht nur die Kinder von den Vätern, er bestärkt sogar die Frauen, ihren Männern ungehorsam zu sein.«
    »Ungehorsam vielleicht, aber nicht untreu, mein Schatz«, sagte Salome und klopfte ihm liebevoll auf die Schulter, wurde aber sofort wieder ernst: »Ich warne davor, irgendwelche drastischen Mittel anzuwenden. Laßt Johannes die Chance. Und laßt auch Jesus die Chance.«
    »Salome, du glaubst auch an ihn?« fragte Zebedäus irritiert, und Onkel Joseph fügte sarkastisch hinzu: »Hatte dich bislang für eine kluge Frau gehalten, Salome.«
    Sie lächelte fein: »Das darfst du auch weiterhin, Onkel. Was heißt hier glauben? Ich setze auf ihn, instinktiv — versteht ihr? Nein, das versteht ihr kaum. So etwas können wohl nur Frauen verstehen. Grämt euch nicht. Trinkt lieber noch einen Schluck Wein. Was darf's denn sein, aus dem alten oder aus dem neuen Schlauch?«
    »Nicht aus dem neuen « , knurrte Zebed ä us.
    Onkel Joseph reiste entgegen seiner ursprünglichen Absicht noch am selben Tage weiter. Er hatte es plötzlich sehr eilig, die glaubensschwachen Niederungen Galiläas hinter sich zu bringen und die dogmatisch reine Höhenluft Jerusalems zu atmen.

Klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben

    Den Zwölf stand ein großer Tag bevor. Jesus sandte sie aus, je zwei zusammen, in die Dörfer und Städte Galiläas, um das Reich Gottes zu verkünden, die Kranken zu heilen und die bösen Geister auszutreiben.
    Sie waren furchtbar aufgeregt, wie Schüler, denen der Lehrer sagt: Nun unterrichtet einmal selber! Zum Glück würde der Lehrer nicht, mit einem Merkbüchlein bewaffnet, in der letzten Bank sitzen und sie überwachen. Jesus blieb in Kapharnaum zurück, nur sein Gebet würde über ihnen wachen. Er gab ihnen die Richtung an, den Namen des ersten Dorfes, das sie aufsuchen sollten — der weitere Weg würde sich schon von selber ergeben.
    Die Kerngedanken der Botschaft Jesu waren ihnen vertraut, Hunderte seiner Predigten hatten sie gehört — nun mußten sie selber die Worte finden und mit Überzeugung vortragen, mußten den Einwänden und Vorwürfen der Gegner standhalten können. Oft genug hatten sie das beim Meister miterlebt — nun brauchten sie nur noch die nötige Selbstsicherheit und Zungenfertigkeit. Jesus achtete aus diesem Grunde darauf, daß wenigstens einer von den zweien, die er zusammen aussandte, nicht auf den Mund gefallen war. So spannte er Simon und Johannes, Thaddäus und den Zeloten, Philipp und Natanael, Jakob und Judas, Levi und Thomas, Andreas und den kurzen Jakob zusammen. Ansonsten schien seine Devise zu sein: Freunde möglichst miteinander, Brüder möglichst getrennt. Jedenfalls fiel das den beiden jüngeren Brüdern, Johannes und Andreas, auf, und sie waren nicht böse darüber.
    Auf den Weg sollten sie nichts mitnehmen: kein Geld, keine Schuhe, kein zweites Gewand, keine Reisetasche — frei wie die Vögel des Himmels sollten sie ausfliegen. Der himmlische Vater würde sie schon ernähren. Und als Verhaltensregel genügte die Mahnung: Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben!
    »Na«, sagte Andreas fröhlich, »das ist bei manchen Paaren bestens verteilt« und dachte dabei wohl vor allem an sich und den kurzen Jakob.
    Der kurze Jakob hielt es fern vom Messias nicht lange aus. So kehrten er und Andreas als erstes Paar zurück; dann Simon Petrus und Johannes. Johannes wirkte niedergedrückt, es hatte nicht so geklappt, wie er sich erhofft hatte. Beim Predigen nahmen ihn die Zuhörer nicht ganz ernst; was konnte sie ein Siebzehnjähriger schon lehren? Da half es auch nicht, die Locken zu stutzen, um männlicher zu wirken. Auch beim Keilen lief manches schief, gestand er Jesus betrübt. Jesus tröstete ihn: »Kopf hoch! Wie oft habe ich vergeblich gepredigt und geheilt? Kein

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