Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
paar Meter hinter den Ufern des Bayou und die Notwendigkeit der Nahrungsaufnahme wurde mir tatsächlich zur Mutter der Erfindung. Ich dachte lange nach, wie ich mir die nötige Portion Nahrung beschaffen könnte, ohne bei Nacht der ermüdenden Jagd in den Sümpfen nachgehen zu müssen. Also konstruierte ich eine Fischfalle. In meinem Gehirn hatte ich schon den Plan dafür entworfen und beschloss, diesen am nächsten Sonntag in die Tat umzusetzen. Es wäre hier unmöglich, dem Leser eine detaillierte und vollständige Beschreibung dieser Falle zu geben, also versuche ich, sie grob zu skizzieren:
Zunächst fertigt man einen Rahmen von ungefähr einem Quadratmeter und, je nach Wassertiefe, einer entsprechenden Höhe. Auf drei der Seiten werden kleine Brettchen oder Leisten genagelt, mit etwas Abstand, damit das Wasser noch zirkulieren kann. An der vierten Seite wird eine Tür befestigt, und zwar so, dass sie sich leicht in den dafür vorgesehenen Nuten in den Pfosten hoch und runter bewegen kann. Dann wird ein beweglicher Boden befestigt, den man ohne Probleme bis zur Decke der Falle bewegen kann. In die Mitte dieses Bodens bohrt man ein Loch, und dadurch führt man einen Griff oder einen runden Stab, den man unter dem Boden fixiert – aber so locker, dass man ihn noch drehen kann. Der Stab reicht bis zur Decke des Käfig, oder auch weiter, wenn dies gewünscht ist. Überall in diesem Stab sind viele kleine Bohrungen, in die man kleinere Stäbchen steckt, die in alle möglichen Richtungen zeigen. Es müssen so viele Stäbchen sein, dass ein Fisch ab einer bestimmten Größe nicht hindurch schwimmen kann, ohne sie zu berühren. Dann kommt der Käfig ins Wasser und wird dort befestigt.
Die Falle wird "scharf gemacht", indem man die Tür aufschiebt und einen weiteren Stab als Sicherung einführt. Ein Ende dieses Stabes ruht in einer Nut auf der Innenseite, das andere in einer Nut in dem Stab, der von dem beweglichen Boden zur Decke führt. Den benötigten Köder stellt man her, indem man eine Handvoll nasses Essen und Baumwolle rollt, bis das Endprodukt hart wird. Dann deponiert man es im hinteren Teil des Käfigs. Ein Fisch, der sich durch die geöffnete Tür in Richtung Köder bewegt, stößt zwangsläufig an eines der kleinen Stäbchen, welches wiederum den großen Stab in der Mitte in Bewegung versetzt. Die Sicherung der Tür rutscht weg, die Tür fällt herunter und der Fisch sitzt sprichwörtlich in der Falle. Wenn man nun den Stab, und damit den beweglichen Boden, nach oben an die Wasseroberfläche zieht, kann man den Fisch herausnehmen. Vielleicht gab es schon vorher Fallen dieser Art, aber wenn habe ich nie eine zu Gesicht bekommen. Im Bayou Boeuf gibt es Unmengen Fische von exzellenter Qualität und nach dieser Zeit kam ich nie mehr in die Verlegenheit, keine Nahrung für mich oder meine Kameraden zu haben. Ich hatte eine neue Mine geöffnet – eine neue Hilfsquelle gefunden, an die die versklavten Kinder Afrikas, die an den Ufern dieses langsamen, aber überaus reichen Stroms arbeiteten und hungern mussten, bisher nicht gedacht hatten.
Ungefähr zu der Zeit, über die ich gerade schreibe, geschah in unserer unmittelbaren Nachbarschaft ein Vorfall, der mich tief beeindruckte und sowohl den Zustand der Gesellschaft dort, als auch die Art und Weise, in der Beleidigungen gerächt wurden, aufzeigte. Unserem Quartier genau gegenüber, auf der anderen Seite des Bayou, lag die Plantage von Mr. Marshall. Er gehörte einer der reichsten und adligsten Familien dieser Gegend an. Ein Gentleman aus Natchez hatte mit ihm über den Verkauf seiner Plantage verhandelt. Eines Tages kam ein Bote zu unserer Plantage und erzählte, dass es auf Marshalls Besitz ein grausames Blutbad gebe und dass man die Kombattanten sofort trennen müsste, wenn das Resultat nicht absolut verheerend sein sollte.
Nachdem man sich zu Marshalls Haus begeben hatte bot sich ein Bild, das man kaum beschreiben kann. Auf dem Flur eines der Räume im Haus lag die grauenhaft entstellte Leiche des Mannes aus Natchez, während Marshall, vollkommen aufgebracht und übersät mit Wunden und Blut, dort auf und ab stolzierte. Im Verlauf der Verhandlungen waren Schwierigkeiten aufgetaucht; es folgten scharfe Worte und als man die Waffen zog auch die tödliche Jagd, die so unglücklich endete. Marshall wurde nie deswegen eingesperrt. Es gab eine Art Untersuchung oder Prozess in Marksville, wo er aber freigesprochen wurde. Ich hatte das Gefühl,
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