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Zwoelf Rosen fuer ein Herz

Titel: Zwoelf Rosen fuer ein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Jenner
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aber dann rechnete ich aus, wie lange es dauern würde, bis sie aus Wuppertal hier wäre - lange -, und wie beschissen ich mich fühlen würde, weil ich ja »schon wieder« den Schlüssel vergessen hatte.
    e. Ich kann Pia anrufen und sie bitten, dass ich bei ihr übernachten kann. - Nein. Schlicht und einfach nein.
    f. Ich kann es bei irgendwelchen anderen Leuten aus meiner Klasse versuchen, mit denen ich mich gut verstehe. Davon gibt’s ja immerhin einige. - Aber deren Eltern wären garantiert völlig aus dem Häuschen, dass ich um elf Uhr abends mutterseelenallein vor verschlossener Tür stehe, und dann würden sie’s meiner Mutter erzählen oder dem Jugendamt und, und, und … Dazu würde das alles dann auch in der
Schule die Runde machen und da hatte ich mich ja nun schon ausreichend blamiert.
    g. Ich kann zur Bahnhofsmission gehen. - Aber weil ich ja erst 13 bin, würden die garantiert auch meine Mutter kontaktieren.
    h. Ich kann mich auf unserer Fußmatte zusammenrollen und dort sterben. - Nö. Hatten wir schon: klappt eh nicht. Und außerdem siehe A) und B), Angst einflößende Nachbarn.
    Alles lief hinaus auf I).
    Und I) bedeutete: Ich verbringe die Nacht in unserem Hof im Fahrradschuppen. Denn da ist nachts sehr wahrscheinlich weniger Publikumsverkehr als hier im Treppenhaus. Und für den Schuppen brauche ich keinen Schlüssel. Da ist nämlich seit Jahren das Schloss kaputt.

16. Kapitel
    I rgendwo hatte ich mal was gelesen über »Grenzerfahrungen«. Und dass die einen Menschen geistig und seelisch weiterbringen und reifen lassen. Also - Grenzerfahrungen hatte ich nun reichlich. Ob sie mich geistig und seelisch weitergebracht haben, will ich mal stark bezweifeln. Und ob sie mich reifen ließen? Höchstens in Richtung Klapsmühle.
    Zum Einstieg in die Nacht im Fahrradschuppen gab’s jedenfalls erst mal den ein oder anderen weiteren blauen Fleck. Denn ich musste in einem komplett vollgestellten Schuppen einen Platz finden, an dem ich mich wenigstens irgendwie hinsetzen konnte. Hinlegen war völlig unmöglich und wäre auch viel zu kalt gewesen. Die nächste Herausforderung war genau das: die Kälte. Ich hatte meine normale Winterjacke an, aber die war nicht dafür gedacht, um darin in einem ungeheizten Schuppen zu übernachten bei drei Grad Außentemperatur. Es war bald so arschkalt, dass ich irgendwie gar keine Angst mehr hatte vor Gummifledermäusen und Totenköpfen - und doch bei dem Grufti-Pärchen klingelte. Nur leider waren die nicht da. Kein Wunder, Gruftis sind ja nachts meist unterwegs.
    Immerhin fand ich bei der Rückkehr in den Schuppen in einer staubigen Ecke eine kratzige, alte, durchlöcherte Decke. So ein fieses, olles Teil, das jemand wohl als Unterlage
bei Fahrradreparaturen benutzt hatte, denn die Decke miefte modrig nach altem Gummi und Maschinenöl. Egal, sie wärmte. Wenigstens ein bisschen.
    Die nächste Grenzerfahrung war Schmerz. Jeder, der schon mal versucht hat, sitzend in einem vollen Fahrradschuppen zu übernachten, weiß, wie weh einem die Ellenbogen tun können. Oder der Hintern. Oder die Rippen. Oder die Knie. Oder einfach alles. Eine halbwegs bequeme Haltung war einfach nicht zu finden.
    Womit wir bei der Grenzerfahrung Zeit wären. Wer mehr vom Leben haben will, muss einfach mal eine Nacht in einem kalten Fahrradschuppen verbringen. Dann lernt man, wie viele schwarze Gedanken in eine einzige Minute passen. Ich weiß es jetzt: sehr, sehr viele. Um nicht durchzudrehen, fing ich an, gaaanz langsam die Sekunden zu zählen, und bei 60 guckte ich dann auf mein Handy, ob auch wirklich eine Minute vorbei war. Meistens war das noch nicht der Fall. So eine Sekunde kann verdammt lang sein. Und eine Minute ist eine Ewigkeit. Die ganze Sache musste ich dann aber bald lassen, denn mein Akku war nicht mehr sehr voll und das Licht vom Display verbraucht viel Strom.
    Ungefähr um diese Zeit schlich sich dann ein seltsamer, völlig durchgeknallter Humor ein, sicher ein Zeichen dafür, dass ich langsam den Verstand verlor. Ich witzelte nämlich mit mir selbst, dass man meine Geschichte überschreiben könnte mit »Der Fahrradschuppen war ihr Schicksal«, also so in Bezug auf mein erfolgloses Engagement für mehr Fahrradschuppen an unserer Schule, das Missverständnis um Dominik zum selben Thema und meine beschissene Lage jetzt … Dann fing mein Hirn an,

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